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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stand die Warnung an der Tür?
    So schlimm kann es nicht sein, sagte er sich, denn es gab keine Wächter. Man hatte den Gefangenen gänzlich sich selbst überlassen.
    »Verstehen Sie mich?« fragte er.
    Noch ein Schnaufen. Es klang jetzt näher.
    Max blinzelte. Jemand kam in der Schwärze auf ihn zu.
    »Ich will Sie hier rausholen.« Er nahm sich vor, daß dies sein letzter Versuch war. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
    Ein Mann schleppte sich ins Licht. Man hatte ihm eine graue Zwangsjacke angelegt. Er kniff die Augen zusammen, als könne er die Helligkeit nicht ertragen, und machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Licht schien ihm Schmerzen zu bereiten.
    Dennoch hatte die Zeit ausgereicht, um Max die Wunden im Gesicht des Mannes erkennen zu lassen, schwärende Löcher auf dem Nasenrücken und rechts und links der Augen. Als hätte der Mann bis vor kurzem eine Brille getragen, die ihm viel zu eng war.
    Oder als hätte er sie sechs Jahre lang nicht abgesetzt.
    »Eisenstein?« fragte Max zaghaft. »Sie sind Jakob Eisenstein, nicht wahr?«
    Ein Grunzen war die Antwort. Es gab keinen Zweifel mehr, daß Eisenstein den Verstand verloren hatte. In der Zeitung hatte gestanden, man hätte ihn in eine Irrenanstalt verlegt. Aber die Männer und Frauen auf den Korridoren waren trotz ihrer Kittel keine Ärzte gewesen. Und dieser Berg war fraglos keine Klinik.
    Hinter Max auf dem Gang ertönten Schritte. Stahlkappen auf Stein. Mehrere Soldaten kamen näher.
    Er zögerte. Sollte er zu Eisenstein in die Zelle schlüpfen und hoffen, daß die Männer vorübergingen? Was, wenn sie den Riegel vorlegten? Das Risiko war zu groß.
    Zugleich aber schien der Gefangene nicht in der Lage, mit Max davonzulaufen. Er mußte ihn hierlassen.
    Mit einem bedauernden Blick in die Dunkelheit drückte er die Tür zu, schob aber den Riegel nicht vor. Vielleicht gelang es Eisenstein, auf eigene Faust zu entkommen. Mochte er wahnsinnig sein oder nicht – niemand hatte es verdient, in solch einem Verlies gefangengehalten zu werden. Und falls er gefährlich war, um so besser. Der Aufruhr würde Max kostbare Zeit verschaffen.
    Er rannte los. Die Soldaten waren noch eine Ecke von ihm entfernt. Atemlos erreichte er die nächste Biegung, bevor sie ihn sehen konnten. So schnell er konnte lief er weiter, wählte an Abzweigungen immer jene Gänge und Treppen, die weiter nach unten führten.
    Die Stiefelschritte der Soldaten blieben hinter ihm zurück. Er gelangte an einen weiteren Treppenschacht, an dessen unterem Ende es heller war als in den übrigen Teilen der Anlage. Stimmen drangen herauf. Max hielt an und lauschte.
    Zwei Männer erschienen auf der Treppe. Mit langsamen, gleichförmigen Schritten stiegen sie hintereinander die Stufen herauf.
    Max blieb wie angewurzelt stehen. Er zitterte plötzlich. Die Männer trugen schwarze Anzüge, Hüte und dunkle Brillen. Beide waren exakte Abbilder des Mannes aus der Zeitung, bis hin zu den scharfkantigen Kinnpartien. Perfekte Kopien Jakob Eisensteins.
    Sie mußten ihn längst gesehen haben, denn sie kamen immer näher und starrten ihn an. Trotzdem schlug keiner der beiden Alarm. Es war, als blickten sie durch ihn hindurch.
    Steifbeinig wich er zur Seite, um sie vorbeizulassen. Sie blickten weiterhin stur geradeaus.
    Etwas stimmte nicht mit dem Stoff ihrer Kleidung. Er war zu glatt, ohne jede Textur. Es gab keine Faserung, kein Gewebe. Nur eine glatte, wächserne Oberfläche. Sie glänzte genauso wie die Hände und Gesichter der Männer, als sei alles aus demselben Material geformt.
    Das Ungewöhnlichste waren die Brillen. Sie waren nicht aus Glas, sondern aus dem gleichen Stoff wie Haut und Kleidung. Ihre Ränder waren rundherum mit dem Gesicht verwachsen.
    Starr vor Grauen stieß Max mit dem Rücken gegen die Wand. Ohne ihn zu beachten, traten die beiden Eisensteins an ihm vorüber und gingen den Gang hinauf.
    Max blickte ihnen fassungslos nach, sah dann erneut die Treppe hinunter.
    Im selben Augenblick erbebte der Berg vom Kreischen der Alarmsirenen.
     
    »Wissen Sie, wer Ezechiel war?«
    Zacharias saß hinter einem breiten Schreibtisch am anderen Ende eines langgestreckten Saales; es war das erste Mal, daß Sina ihn in einer Uniform der Reichswehr sah. Sie war durch ein gotisches Portal aus dem Obergeschoß der Kapelle hierhergeführt worden. Durch mehrere hohe Spitzbogenfenster fiel gleißendes Tageslicht. Zwei von ihnen waren geöffnet; der Lärm der Stadt drang vom Fuß des Burgberges herauf, ein

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