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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wie sich ihre Arme mit einer Gänsehaut überzogen.
    »Unsere Leute untersuchten dort das Wrack, und es wurde erwogen, dort auch dieses Wesen zu erforschen. Schließlich aber entschied man sich dagegen. Ein Transport mit der nötigen Bewachung hätte Aufsehen erregt, und gerade das galt es zu vermeiden.«
    »So also gelang es der Thule-Gesellschaft, die ganze Operation an sich zu reißen«, folgerte Sina.
    Zacharias beugte sich weiter vor, als richte er die Worte an alle Menschen in der Halle. Aber er sprach leise, gerade laut genug, daß Sina ihn über den Krach hinweg verstehen konnte. »Sebottendorff, das Oberhaupt der Gesellschaft, sah in der Technik dieser Wesen ein Werkzeug, seine Pläne einer germanischen Weltregierung durchzusetzen. Aber Sebottendorff ist größenwahnsinnig. Einige von uns anderen teilten zwar ein paar seiner Ansichten, erkannten jedoch auch die wissenschaftliche Herausforderung der ganzen Angelegenheit. Wir waren sehr naiv, fürchte ich.«
    Sina stieß verächtlich den Atem aus. »Sie sind kein Stück besser als Sebottendorff. Sie wollen doch nicht behaupten, die Ziele der Gesellschaft seien Ihnen nicht bekannt gewesen?«
    »Ganz im Gegenteil«, gestand Zacharias. »Aber wir wollen nicht über Politik streiten, Sina. Ich schäme mich nicht für das, was ich glaube. Ich bin überzeugt, darin liegt die Zukunft unserer Nation.«
    »Sie sind ein Wahnsinniger wie Sebottendorff.«
    Ein geisterhaftes Lachen huschte über seine Züge. »Wäre ich das, könnte ich nachts vielleicht ruhiger schlafen.« Er riß sich zusammen und wechselte abrupt das Thema. »Es war Kayssler, der das Traum-Virus entdeckte. Er nannte es so, aber natürlich war es kein Virus im herkömmlichen Sinne. Es läßt sich biologisch nicht nachweisen, nicht wie irgendwelche Bazillen oder Erreger. Vielmehr findet eine Art psychische Übertragung und Ansteckung statt, auf eine Art und Weise, die unserer Wissenschaft vollkommen fremd ist.«
    »Genau so, wie die drei Eisensteins am Krater mir die Vision übertrugen?«
    »Ja. Wir können nur Vermutungen anstellen, wie es ursprünglich dazu kam. Kayssler war überzeugt, daß Ezechiel nicht der erste war, dem die Fremden ihren Code übermittelten; er war nur der erste, der ihn niederschrieb. Tatsächlich müssen sie bereits viele Jahrtausende zuvor, vielleicht schon zu Anbeginn der Menschheit, ähnliche Versuche unternommen haben. Irgendwann überkam einen unserer Vorfahren in seiner Höhle diese Vision, und von da an erschienen ihm jede Nacht neue und befremdlichere Bilder. Ohne es zu wissen, übertrug er das Phänomen auf andere. Der Vergleich mit einem Virus mag medizinisch falsch sein, aber naheliegend ist er allemal. Ein Virus, das sich im Hirn der Menschen verselbständigt hat. Statt immer wieder den Code der Fremden zu wiederholen, so, wie es zweifellos geplant war, schuf es eigene Bilder und Visionen – das, was wir Träume nennen. Jahrhundertelang haben Forscher gerätselt, woher unsere Fähigkeit zu träumen rührt, und Kayssler glaubte, die Antwort endlich gefunden zu haben.«
    »Und dabei ist sie so gut wie jede andere«, urteilte Sina ablehnend. »Eine ziemlich wilde Theorie, die er sich da zurechtgelegt hat.«
    »Eine Theorie, in der Tat, und möglicherweise nicht mehr als das. Ich bin vielleicht nicht so gut wie Kayssler darin, sie überzeugend darzulegen. Hätten Sie ihm gegenübergestanden, Sie hätten ihm jedes Wort geglaubt. Das war vielleicht von allem sein größtes Talent: seine Überzeugungskraft.«
    »War? Ist er denn tot?«
    Zacharias schien dringend Schlaf zu benötigen. Seine Augenlider flimmerten müde. »Kayssler stellte allerlei Experimente mit dem Wesen aus der Scheibe an. Man kann es ihm kaum verübeln, denn er mußte annehmen, es sei tot. Um ehrlich zu sein, ich glaube, er hätte sich auch nicht darum geschert, wäre ihm rechtzeitig klargeworden, daß es noch lebte. Jedenfalls war es noch lebendig genug, um – auf welchem Wege auch immer – Hilfe herbeizurufen. Und diese Hilfe kam prompt.« Er senkte die Stimme, als er sich an die Bilder von damals erinnerte. »Kayssler und all seine Assistenten starben, und das Wesen verschwand. Genau wie Eisenstein, der Kaysslers Verbindungsmann zu den Thule-Mitgliedern in allen Regierungsämtern war. Er hatte das Pech, zum falschen Zeitpunkt in Kaysslers Versteck aufzutauchen.«
    »Aber Eisenstein kehrte zurück«, warf Sina ein.
    »Vor einigen Tagen wurde er in Berlin aufgegriffen. Die Fremden hatten ihn

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