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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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vereinzelten Glühbirnen an den Wänden waren nicht einmal eingeschaltet.
    Sina sah, daß Zacharias den Blick wieder senkte und langsam durchatmete. Sie gab sich Mühe, ihrer Stimme einen eisigen Klang zu verleihen. »Mich wundert, daß Sie Eisenstein nicht schon früher beseitigt haben. Ihre Leute sind doch sonst nicht so zurückhaltend.«
    Der Alte öffnete den Mund, um zu antworten, doch eine Stimme hinter seinem Rücken kam ihm zuvor:
    »Wissen deine Freunde, daß du versucht hast, sie zu hintergehen, Onkel?«
    Sina und der Alte drehten sich gleichzeitig um.
    »Max!« entfuhr es ihr.
    Er nickte ihr mit einem flüchtigen Lächeln zu und trat durch das Tor auf die Empore. Er trug einen weißen Kittel, den er offenbar einem der Wissenschaftler abgenommen hatte, um unerkannt bis zur Halle zu gelangen.
    Zacharias funkelte ihn böse an. »Was meinst du mit ›hintergehen‹?«
    Max lachte bitter. »Ich habe gehört, was du Sina erzählt hast. Aber ich weiß auch, was du verschweigst.«
    Zacharias machte drohend einen Schritt auf ihn zu. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Aber natürlich weißt du das«, entgegnete Max. »Du tust so, als machst du dir vor Angst in die Hose. Aber zugleich spinnst du hinter ihrem Rücken deine eigenen kleinen Intrigen. Ich kenne dich, Onkel.«
    Hinter Max tauchten mehrere Soldaten auf. Zacharias gab ihnen einen Wink, zurückzubleiben. An Max gewandt fragte er: »Bist du bewaffnet?«
    »Nein.«
    »Du würdest es mir sagen, nicht wahr?«
    »Nein«, gab Max lächelnd zurück. »Aber leider war keiner deiner Männer bereit, mir seine Waffe zu überlassen.«
    Zacharias überhörte den beißenden Unterton und gab den Soldaten Order, draußen vor dem Tor zu warten.
    »Ich werde euch beide abführen lassen. Wenn du mir etwas zu sagen hast, Max, dann sag es schnell.«
    »Nichts, das du nicht bereits wüßtest.«
    »Was meinst du?« fragte Sina.
    Max ließ Zacharias nicht aus den Augen. »Er hat Eisenstein nur aus einem Grund nicht töten lassen: Er wollte herausfinden, was er in diesen sechs Jahren gesehen hat, wollte mehr über diese Fremden erfahren. Wo sie herkommen, zum Beispiel. Und wie es dort aussieht, wo sie Eisenstein hinbrachten.«
    »Das ist lächerlich.« Zacharias wischte sich über die feuchte Stirn und richtete sich auf, in einem letzten Versuch, seine Erschöpfung zu überspielen. »Sie haben uns gedroht, sehr überzeugend gedroht. Sie wollen nicht, daß irgendwer auf sie aufmerksam wird. Nur deshalb gaben sie uns den Auftrag, die Trümmer für sie aus diesem Verlies zu schaffen und ihnen auszuliefern. Glaubst du nicht, sie hätten das auch ohne uns gekonnt?« Er atmete zischend aus, ein scharfer, humorloser Ton. »Wir haben nicht die geringste Ahnung, wie groß ihre Macht wirklich ist. Wie kannst du annehmen, ich würde das Risiko eingehen, mich gegen sie zu stellen?«
    »Aus demselben Grund, der einen Mann wie Sebottendorff veranlaßt, der ganzen Welt den Krieg zu erklären: Es geht euch nur um Macht!« entgegnete Max scharf. »Das Risiko hat keine Bedeutung, nicht für ihn und nicht für dich. Wenn der Plan gelingt – wunderbar. Wenn nicht – dann ist ohnehin alles verloren. So denkt ihr doch, nicht wahr? Die größten Katastrophen wurden immer aus Überzeugung heraufbeschworen.«
    »Ich habe einen Moralisten als Patensohn, wie rührend.« Zacharias’ fahles Lächeln war eine Fassade, die allmählich Risse bekam. »Aber ich versichere dir, deine Vermutung ist falsch.«
    Widerwillig mußte Sina sich eingestehen, daß etwas in seiner Stimme lag, das sie dazu brachte, ihm Glauben zu schenken. Tief in ihrem Inneren spürte sie die Überzeugung, daß Zacharias die Wahrheit sagte. Diese Erkenntnis machte ihr mehr angst als alles andere.
    Max war anderer Ansicht. »Ich glaube, Onkel, sie beobachten dich. Sie verfolgen jeden deiner Schritte, und sie wissen nur zu gut, daß sie dir nicht trauen können.« Er beugte sich vor, und einen Moment lang sah es aus, als wollte er den Alten am Kragen packen. »Es war kein Zeichen von Wohlwollen, daß sie dir Eisenstein zurückgaben, begreifst du das nicht? Es war ein Test!«
    Zacharias schüttelte heftig den Kopf. »Nein, niemals.« Er klang bemerkenswert gefaßt. »Du täuschst dich, Max.«
    Sina blickte von einem zum anderen. Wie aus dem Nichts kam ihr plötzlich ein Gedanke. »Dieser Passagier im Luftschiff, das war Sebottendorff.«
    »Natürlich«, bestätigte Max, der zum gleichen Schluß gekommen war. »Und während er fort ist,

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