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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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irgendwo im ewigen Eis, versucht mein ehrenwerter Onkel, die Dinge hier an sich zu reißen. Hast du dich deshalb auf solch eine Gratwanderung eingelassen?«
    Zacharias trat einen Schritt zurück. Seine Miene war leer, trug völlige Gleichgültigkeit zur Schau. Einen Moment lang sah es aus, als wolle er etwas erwidern, dann aber wandte er sich an die Soldaten hinter der Tür. »Nehmt sie mit«, befahl er knapp. »Steckt sie zu den anderen.«
    Max grinste ihn an, sogar noch als er und Sina gepackt und zur Tür gezerrt wurden.
    Aber er hat unrecht! durchzuckte es Sina. Max’ Anschuldigungen mochten noch so logisch klingen, doch eine Stimme in ihrem Inneren sagte ihr, daß er die falschen Schlüsse zog. Macht und Einfluß spielten längst keine Rolle mehr. In ihr stieg der furchtbare Gedanke auf, daß es bei dem, was hier geschah, um etwas vollkommen anderes ging: nur um das nackte Überleben.
    Die Soldaten stießen Sina und Max aus der Halle. Hinter ihnen begann das Licht in der Kuppel zu pulsieren.

Kapitel 4
    Evelina fiel Max in die Arme, als die Soldaten die Falltür des Turmzimmers hinter ihnen zuzogen. Schweigend standen die Geschwister in der Dunkelheit und drückten sich aneinander. Sina bückte sich und tastete in der Schwärze nach Max’ Vater. Sie fand ihn und fühlte seinen Puls. Er schien normal.
    Evelina und Max traten neben sie.
    »Er ist kurz aufgewacht, ein paar Minuten, nachdem Sie fort waren«, sagte das Mädchen zu Sina.
    »Das heißt wohl, daß es ihm besser geht.«
    »Hoffentlich.«
    Max ließ sich noch einmal berichten, wie sein Vater und Evelina hierher gelangt waren. Einmal, als seine Schwester die Schläge erwähnte, fluchte er leise. Ansonsten aber blieb er ruhig und nachdenklich.
    Sina erwähnte noch einmal ihre Vermutung, daß sein Vater von dem geplanten Mord an Max erfahren hatte und deshalb nach Nürnberg geeilt war, um Zacharias umzustimmen. Zu diesem Zeitpunkt mußte bereits festgestanden haben, daß er der Gesellschaft den Rücken kehren und seine finanzielle Unterstützung aufgeben würde. In Zacharias’ Plänen aber hatte von Posers Vermögen fraglos eine beträchtliche Rolle gespielt; ihm blieb gar keine andere Wahl, als seinen früheren Freund mit allen Mitteln zurück auf seine Seite zu ziehen, sogar durch Erpressung und Mord.
    Evelina wiederum schilderte ihnen das Attentat auf Dominik, den Feuertod des Archivars und die Ereignisse, die zur Auflösung des Hex geführt hatten. Schweigend hörten sie zu.
    Dominiks Tod schockierte sie, und sie zweifelten nicht, daß Zacharias und seine Leute auch für den Mord an Karel Haaf verantwortlich waren.
    Max wurde wütend und ungeduldig, weil niemand etwas über Larissa wußte, doch all sein Zorn brachte sie nicht weiter. Schließlich saßen sie im Dunkeln am Boden, schmiedeten Pläne und verwarfen sie wieder.
    Und dann, nach Stunden, kam eine Patrouille und holte Sina ein zweites Mal ab.
     
    »Die Kinder haben aufgehört zu weinen«, sagte der Magier. »Ich höre sie nicht mehr, seit unserer Begegnung in Grönland. Ich hoffe aufrichtig, daß es Ihnen genauso ergeht.«
    Sina hatte seither nicht mehr darüber nachgedacht – was an sich schon mehr als erstaunlich war –, doch jetzt, da er es aussprach, mußte sie ihm recht geben. Die Kinder schwiegen.
    »Es geht nicht mehr um die Kinder«, sagte sie müde.
    Er beugte sich zu ihr vor. Seine Stimme war leise. »Aber es ist immer nur um sie gegangen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Daß Sie und ich hier sind, haben wir nur den Kindern zu... ich hätte fast ›verdanken‹ gesagt. Aber das wäre geschmacklos, nicht wahr?«
    »Sie werden nicht dafür in der Hölle schmoren. Es gibt bessere Gründe.«
    »Jetzt werden Sie kratzbürstig.«
    »Ich kann Sie nicht umbringen, oder? Nicht im Augenblick. Da ist Kratzbürstigkeit eine gute Alternative.«
    »Nicht sehr befriedigend, fürchte ich.«
    »Nein, da haben Sie recht.«
    Er lächelte vergnügt, als würden ihn Sinas Worte tatsächlich amüsieren.
    Die Soldaten hatten sie in eine Kammer gebracht, die das Vorzimmer zu einem größeren und prächtigeren Raum zu sein schien. Sina vermutete, daß sie sich im Erdgeschoß der Burg befand, wahrscheinlich unter dem Saal, in dem sie Zacharias begegnet war. Hier standen nur ein Sofa, alt, aber nicht antik, und ein paar Stühle. An den Wänden hingen grellbunte Jagdgemälde.
    Die Sonne schien steil durchs Fenster, und Sina wurde schlagartig klar, daß sie die letzte Nacht regelrecht verpaßt hatte. Sie hatte

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