Hex
den Kindern.
»Ich möchte, daß Sie jetzt gehen.« Er zwang sich abermals zur Ruhe. »Es war ein anstrengender Abend.«
Der Mann beugte sich vor und verfiel in vertrauensvollen Flüsterton. »Sie hatten die Bühne kaum betreten, als dieses... Unglück geschah.«
»Ich wüßte nicht, was Sie das angeht.«
»Wir könnten dafür sorgen, daß kein Wort über diesen Vorfall veröffentlicht wird. Die Zeitungen würden ihn einfach verschweigen.«
»Wollen Sie mich erpressen?« Die Stimme des Magiers wurde eisig. Zumindest nach außen hin behielt er die Ruhe.
»Nein, das kann ich nicht. Und Sie wissen das. Die Entscheidung liegt allein bei Ihnen.« Der Fremde lehnte sich in der Dunkelheit gegen die Wand, als strenge ihn das lange Stehen an. Sein Tonfall verriet noch immer, wie sehr ihn das Gespräch langweilte. Als wüßte er längst, welches Ende es nehmen würde.
Jemand hämmerte von außen gegen die Tür. »Kommen Sie da raus«, keifte der Theaterleiter. »Ich will mit Ihnen sprechen.«
»Hauen Sie ab«, rief der Magier zurück.
Zu seinem Erstaunen verschwand der Theaterchef tatsächlich. Er hörte ihn in der Ferne fluchen und irgend jemanden anschreien.
»Nun?« Der Mann neigte den Kopf. »Wir könnten sogar dafür sorgen, daß dieser Abend gute Kritiken bekommt. Alles wird sein, als hätte es diesen Zwischenfall nie gegeben. Man würde Sie feiern.«
Der Magier zögerte mit einer Antwort. Wenn der Fremde, oder besser jene, die hinter ihm standen, soviel Einfluß besaßen, mußten sie etwas wirklich Großes im Sinn haben. Das einzige, was ihn nicht erstaunte, war, daß sie sich damit an ihn wandten. Nicht einmal nach all der Zeit. Sein alter Ruf war unantastbar. Trotz der Kinder.
»Wenn Sie bei dem, was geschehen ist, Ihre Finger im Spiel hatten, werde ich Sie dafür umbringen«, sagte er mit betonter Ruhe.
Der Mann schüttelte den Kopf. Der Magier sah nur, wie sich der Umriß des Hutes bewegte. »Sie meinen das Pendel? Wie hätte ich das tun sollen? Nein, ich bin nur hier, um Ihnen ein Angebot zu machen. Kritiken und Engagements sind ein leichtnis, und sie kosten nicht viel – vorausgesetzt, man hat die Verbindungen. Ich bin befugt, Ihnen außerdem einen Geldbetrag Ihrer Wahl in Aussicht zu stellen. Sie nennen die Höhe.«
Wirf ihn raus! erklang es in seinem Hinterkopf. Sag ihm, er soll gehen. Hör nicht auf das, was er sagt. Laß dich nicht verführen.
Aber mein Ruf! dachte der Magier. Die Zeitungen. Die Angebote. Alles wäre gerettet. Nur das eine Mal.
»Wie kann ich einen Preis für etwas nennen, über das ich nichts weiß?« fragte er vorsichtig und bemühte sich, die beschwörende Stimme in seinem Kopf abzuschalten.
»Darf ich das als Interesse deuten?«
»Sagen Sie, was Sie wollen. Dann sprechen wir über Interessen. Meine und Ihre.«
Der Mann überlegte einen Augenblick. »Sie werden eine Reise machen.«
»Wohin?«
»In den Norden. Nach Grönland.«
Der Magier überspielte sein Erstaunen. »Wann?«
»In wenigen Stunden schon, morgen vormittag. Sie werden in einem Luftschiff reisen, gemeinsam mit der Person, um die es geht.«
»Welche Person?«
»Das erfahren Sie, sobald Sie mir einen Preis genannt haben. Ich brauche Ihre Zusage, bevor ich Einzelheiten preisgebe.«
Der Magier überlegte. Die mahnende Stimme in seinem Schädel war noch immer da, aber er beachtete sie nicht mehr. Es war nicht das Geld, das ihn reizte. Es waren die Engagements, die der Mann in Aussicht stellte. Sein Ruf. Und auch ein wenig seine Neugier.
Er schwieg eine Weile, dann nannte er eine Summe, die ihm erheblich erschien. Nicht zu hoch, aber nah an der Grenze. Jetzt würde sich zeigen, wieviel dem Fremden tatsächlich an ihm lag.
Der Mann nickte, ohne nachzudenken. »Sie bekommen das Geld. Die Hälfte bis morgen, den Rest, wenn Sie zurück sind. Außerdem einen Bonus, wenn alles zu unserer Zufriedenheit verläuft.«
»Und die Kritiken?«
»Werden geschrieben, sobald ich Sie verlasse.«
»Von denselben Leuten, die in der Vorstellung waren?«
»Natürlich nicht. Es werden namhafte Damen und Herren sein, die Ihr Loblied singen. Sobald Sie wieder zurück in Deutschland sind, sollten Sie sich vor Angeboten der großen Häuser nicht retten können.«
Der Magier hatte allen Grund, zufrieden zu sein – hätten nicht irgendwo in seiner Erinnerung die Kinder geschrien. Wegen ihnen hatte er mit der Zauberei begonnen, gleich, nachdem er zurückkam aus Kopenhagen. Erst auf Kindergeburtstagen, dann in Schulen,
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