Hex
und räumte in aller Eile Tisch und Ablage auf. Dann zog sie vorm Spiegel ihre Schminke nach, vor allem die Lippen, weil sie wußte, daß das ihr umwerfendes Lächeln betonte, zupfte unglücklich an ihrer Frisur, roch unter ihren Achseln, tupfte sich Parfüm hinter die Ohren und setzte schließlich den Teekessel auf.
»Sie trinken doch Tee?« rief sie aufgeregt ins Wohnzimmer, und er erwiderte beschwingt: »Alles, was Sie trinken, meine Liebe.«
»Es ist englischer Tee.«
»Excellent, my dear.«
Er verstrahlte Charme und Kultiviertheit in solchen Ausmaßen, daß sie beinahe mißtrauisch wurde. Es war jene Art, vor der Max sie gewarnt hatte, aber trotz allem wirkte er aufrichtig. Wie jemand, der einfach nur freundlich sein wollte.
Doch zugleich stieg Angst in ihr auf: Was, wenn er hier war, um ihr zu drohen? Nein, nicht drohen. Das war nicht sein Stil. Er würde sie überreden, von der Hochzeit mit Max Abstand zu nehmen. Und natürlich würde sie nichts dergleichen tun. Was dann? Würde er brüllen, sie beleidigen, vielleicht gar nach ihr schlagen? Nicht Wilhelm von Poser. Jemand wie er verfügte über andere Mittel.
Wenn aber das der Weg war, den er gehen wollte, dann hätte er es früher tun können, damals, als Max ihm ihre Heirat angekündigt hatte. Und hätte er sie trotzdem in sein Haus eingeladen?
Unsicher, aber äußerlich beherrscht, balancierte sie den Tee ins Wohnzimmer und setzte sich zu ihm.
»Sie wundern sich über meinen Besuch, nicht wahr?« fragte er mit gütigem Lächeln. »Ich fürchte, ich komme ungelegen.«
»Aber nicht doch, keineswegs.« Hatte sie ihm wirklich dieses Gefühl gegeben? Das war nicht ihre Absicht gewesen. Dabei war es doch unübersehbar, daß sie gerade erst einiges durchgemacht hatte.
Flink verwickelte er sie in ein harmloses Gespräch über ihre Arbeit. Er behauptete nicht, daß ihm gefiel, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente; er zeigte wohlmeinendes Interesse, aber auch Ablehnung. Das wiederum paßte keineswegs in das Bild, das Max vom trügerischen Charme seines Vaters gezeichnet hatte. Wäre er wirklich so falsch gewesen, wie sein Sohn behauptet hatte, dann hätte er Begeisterung geheuchelt. Dennoch blieb er ehrlich, und das verwirrte sie um so mehr.
Schließlich, nach der zweiten Tasse Tee, kam er übergangslos zum Grund seines Besuchs.
»Ich bin hier«, sagte er, »um die Dinge zwischen uns zu bereinigen.«
Larissa sah ihn an – nicht mit allzu großen Augen, hoffte sie – und wartete. Darauf, welche Richtung dieses Gespräch nehmen würde. Ihr Magen fühlte sich an wie ein Eisblock.
»Es tut mir leid, daß Max nicht bei uns sein kann. Ich wußte nichts von dieser Mission, für die Zacharias ihn abgestellt hat. Sicherlich wäre es besser gewesen, sich mit euch beiden zu unterhalten. Sie gestatten doch, daß ich ›du‹ sage, nicht wahr? Immerhin gehören Sie – du – ja bald zur Familie.«
Sie nickte stumm. Sie wußte nicht mehr, was sie darauf hätte sagen können.
Ihre Reaktion schien ihn nicht völlig zufriedenzustellen, denn er wartete noch einen Augenblick, um ihr Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben. Als keine kam, fuhr er mit einem unmerklichen Schulterzucken fort: »Ich möchte, daß du mich Vater nennst. Oder Johannes. Ganz wie du willst.«
Wenn er so weit ging, konnte er sie kaum mehr von der Hochzeit abbringen wollen. Das alles überraschte sie weit mehr als die Tatsache seines Besuchs. Trotzdem wollte das Eis in ihrem Innern nicht tauen. Sie traute ihm noch immer nicht.
Sein Blick verweilte einen Moment auf ihren Augen, dann schaute er geschwind auf die Tischplatte, als hätte er dort etwas ungemein Faszinierendes entdeckt. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ihr klar wurde, daß er sich schämte. »Es tut mir leid, daß es von meiner Seite aus in der Vergangenheit zu einem... unangebrachten Verhalten gekommen ist«, sagte er stockend. »Ich möchte mich dafür entschuldigen. Max hat sich entschieden, daß du seine Frau werden sollst – und du hast dich für ihn entschieden. Das ist alles, was zählt. Die Standesdünkel eines alten Mannes sollten da nicht im Wege stehen, nicht um alles in der Welt. Ich war dumm. Und ungerecht. Ich bitte dich noch einmal, einem verbohrten Vater zu verzeihen.«
Seine Worte trafen sie so unerwartet, daß sie noch immer um ihre Stimme rang. »Ich bin sehr überrascht«, gestand sie, ehe sie begriff, daß er auf die Annahme seiner Entschuldigung wartete. Schnell fügte sie hinzu: »Und natürlich ist
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