Hex
das alles längst vergessen.«
Jetzt wirkte er ein wenig gefaßter. »Ich werde gleich nach seiner Rückkehr auch mit Max sprechen. Ihm wird es schwererfallen, mir zu vergeben. Ich hoffe sehr, daß er es trotzdem tun wird.«
»Ich kann vorher mit ihm reden«, erbot sie sich, aber von Poser winkte ab.
»Nein«, sagte er, »damit muß ich alleine klarkommen. Er ist mein Sohn, und die Fehler, die begangen wurden, waren zum allergrößten Teil die meinen. Die Pflicht, sie einzugestehen, kann mir keiner abnehmen. Mir ist plötzlich klargeworden, was es bedeutet, einen Sohn zu haben. Nachdem, was mit dem jungen Zacharias geschehen ist...«
Larissa horchte auf. »Mit Dominik? Was ist passiert?«
Sein Gesicht verdüsterte sich. »Du weißt es noch gar nicht? Herrgott, das hätte das erste sein müssen, was ich dir sage. Es gab ein Unglück. Dominik ist tot.«
Sie spürte, wie sie zusammenzuckte. »Tot?«
Er schien über den Tisch hinweg nach ihrer Hand greifen zu wollen, überlegte es sich aber im letzten Augenblick anders. »Sein Wagen ist explodiert. Es heißt, es sei eine Bombe gewesen.«
»Eine Bombe?« Das Wort rutschte ihr viel zu laut heraus, und einen Moment lang fürchtete sie, er könnte sie für eine hysterische Kuh halten. »Aber warum in Dominiks Wagen? Wer tut so was?«
»Das weiß noch keiner. Ich habe nur mit der Sekretärin seines Vaters gesprochen. Die ganze Familie hat sich zurückgezogen, verständlicherweise.«
Während sie noch versuchte, die furchtbare Nachricht zu verdauen, kam ihr zugleich die Erkenntnis über das, was er davor gesagt hatte. Indirekt war Dominiks Tod der Grund für sein Versöhnungsangebot. Sie wußte nicht recht, was sie davon halten sollte – mit einemmal fiel es ihr ohnehin schwer, über irgend etwas nachzudenken –, aber zumindest machte es sein Anliegen glaubwürdig. Er meinte es ernst, davon war sie jetzt überzeugt.
»Können Sie mich... Verzeihung, kannst du mich auf dem laufenden halten, über das, was Dominik zugestoßen ist?« bat sie. »Max und er waren gute Freunde, und ich mochte ihn. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand ihm ein Leid antun wollte.«
Von Poser nickte bitter. »Das kann ich auch nicht...«
»Kanntest du ihn gut?« Sie vermied es, ihn mit Namen anzusprechen. Sie hatte sich immer noch nicht entscheiden, wie sie ihn nennen wollte.
»Dominiks Vater und ich sind gute Freunde«, erwiderte er mit leichtem Zögern. »Er ist Max’ Patenonkel. Und Dominik war mein Patenkind. Ich habe ihn geschätzt.«
Seine letzten Worte klangen distanziert, aber sie fragte nicht weiter. Zu vieles schwirrte ihr durch den Kopf. Der Tod des Freundes, das unerwartete Versöhnungsangebot – das war eine Menge auf einmal. Ihre Trauer überschattete dabei sogar die Freude über die Wandlung ihres Schwiegervaters.
Er stand auf. »Ich glaube, ich gehe jetzt besser.«
Sie führte ihn zur Tür, wo er noch einmal ihre Hand ergriff und voller Zuneigung drückte.
»Ich freue mich, daß du bald eine von Poser bist«, sagte er leise.
Ich fürchte, das werde ich nie sein, dachte sie und blickte ihm nach, als er die Treppe hinunterstieg.
Niemals.
Sie wollen euch loswerden, säuselte die Krebsstimme in Karels Gedanken. Sie brauchen euch nicht mehr, und ihr stört sie. Stört sie bei all den Dingen, die sie treiben. Geheimen, gemeinen, verborgenen Dingen.
Der Archivar spuckte seinen Kautabak in den Napf auf dem Fußboden. Die Blechschale wippte knirschend vor und zurück.
»Ich weiß nicht«, sagte er zweifelnd. »Weshalb sollten sie eine Abteilung wie das Hex ins Leben rufen, um sie drei Jahre später wieder zu schließen?«
Die Krebsstimme kicherte. Ihr seid ihnen im Weg.
»So wie ich dir, was?«
Das wird sich bald ändern, wenn es nach mir geht. Erneutes Kichern.
Karel stand am Ofen seiner kleinen Küche und rührte freudlos in einem Topf mit Suppe vom Vortag. Sie roch noch schlechter, als sie gestern geschmeckt hatte. Dabei kochte er eigentlich gerne. Aber seit dem Besuch der beiden Männer und seinem Blick in die Akte Eisenstein war ihm die Freude an allem vergangen.
»Ich möchte wissen, was das auf diesen Fotos war«, murmelte er. »Dieser Brei...«
Ich glaube nicht, daß du das wirklich wissen willst, gab die Krebsstimme zurück.
»Vielleicht sollten wir versuchen, dieses Haus zu finden.«
Sicher, ich kann mich ja nicht wehren.
»Das ist es, was dich so liebenswert macht.«
Warte nur, wer zuletzt lacht.
Karel seufzte. Er führte oft
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