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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sina weit hinter sich. In seinem Kopf herrschte heilloses Durcheinander. Die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Larissa – falls sie um diese Uhrzeit überhaupt zu Hause und nicht im Atelier war –, die Zerstörung der Villa, das Schicksal des Hex und seiner Agenten und die Tatsache, daß diejenigen, die den Magier auf ihn angesetzt hatten, vielleicht schon von seiner Rückkehr wußten; jeder dieser Gedanken versuchte, die Vorherrschaft über sein Denken zu gewinnen. Die Folge war, daß er vor allem anderen eines empfand: Verwirrung.
    Er erreichte die Wohnungstür, während Sina noch zwei Treppen hinter ihm war. Er klopfte lautstark und drückte ungeduldig die Klinke herunter. Tausendmal hatte er gepredigt, Larissa solle einen Knauf an der Außenseite anbringen lassen. Sie hatte es stets auf später verschoben und gesagt, die Tür sei ohnehin zu jeder Tages- und Nachtzeit abgeschlossen.
    Jetzt aber schwang die Tür lautlos nach innen. Ein Zeichen, hoffte er in einem Anflug von Besorgnis, daß Larissa daheim war und nur vergessen hatte, abzusperren.
    Er rief ihren Namen und erhielt keine Antwort.
    Dann entdeckte er die kleinen dunklen Flecken auf dem Boden des Flurs. Eine Blutspur. Sie führte ins Schlafzimmer.
    »Larissa!« rief er noch einmal, jetzt verzweifelter. Er wollte losstürmen, als sich von hinten Sinas Hand auf seine Schulter legte.
    »Warte!« flüsterte sie ihm zu. Sie zog ihre Waffe unter dem Mantel hervor und brachte sie in Anschlag. Mit einem Nicken gab sie Max zu verstehen, das gleiche zu tun.
    Er packte seinen Revolver und lief leise auf die halboffene Schlafzimmertür zu. Sina sicherte den Flur und die Türen von Wohnzimmer und Küche. Aus keinem der Räume erklangen Laute. Es war vollkommen still.
    Ein seltsamer Geruch hing in der ganzen Wohnung. Fäulnis, dachte Sina. Oder Verwesung.
    Max stieß die Schlafzimmertür auf. Sprang breitbeinig hinein, die Waffe mit beiden Händen vorgestreckt.
    Auf dem Bett lag jemand, aber es war nicht Larissa. Es war ein Mann. Er hatte sich in voller Bekleidung in die Decken gerollt. Das weiße Bettzeug war dunkelrot getränkt. Der Mann mußte viel Blut verloren haben. Er war augenscheinlich ohne Bewußtsein.
    Tiefe Erleichterung überkam Max. In einem Anflug von Panik hatte sein inneres Auge ihm bereits Bilder von Larissas Leichnam vorgegaukelt. Jetzt vertrieb er diese Schreckensvisionen und eilte auf den Verletzten zu.
    Sina blickte zur Tür herein. Auch sie sah den Mann, trat aber nicht ans Bett. Statt dessen gab sie Max stumm zu verstehen, daß sie die übrigen Zimmer durchsuchen wollte.
    Max beugte sich über den Verletzten. Seine Augen waren geschlossen. Ein getrockneter Blutfaden verlief von seinem Mund bis zu einem faustgroßen Fleck im Bettuch. Auf seinen Lippen aber war das Blut noch feucht. Bei jedem seiner rasselnden Atemzüge bildeten sich winzige rote Bläschen in seinen Mundwinkeln.
    Die Decke war fest um seinen Leib geschlungen, wahrscheinlich in einem Anfall von Schüttelfrost. In einer Hand hielt er ein Stilett. Max löste die Waffe aus den verkrampften Fingern und rollte den Mann ganz sachte auf den Rücken. Er hatte eine Schußwunde im Bauch und eine zweite im Oberschenkel.
    Sina kam herein, kreideweiß im Gesicht. »Im Bad liegen zwei tote Männer. Beide haben Stichwunden.«
    »Larissa?«
    »Nicht hier. Wahrscheinlich war sie gar nicht zu Hause, als diese Kerle hier auftauchten.«
    Max atmete tief durch, als könne er damit Ordnung in seine Gedanken bringen. »Der Mann hier ist fast verblutet. Er muß seit Stunden hier liegen. Das würde bedeuten, daß man ihm diese Wunden heute nacht beigebracht hat.«
    »Vielleicht hat Larissa die Nacht gar nicht hier verbracht«, schlug Sina vor, nicht ganz sicher, ob ihn das wirklich beruhigen würde.
    Aber alles war besser, als die Vorstellung, Larissa könnte mitten in dieses Schlachtfest geraten sein.
    »Ich hole einen Arzt«, sagte Sina und wollte loslaufen.
    Im selben Augenblick erwachte der Mann auf dem Bett. »Keinen... Arzt«, flüsterte er kraftlos. Seine Lider flatterten, öffneten sich aber nicht.
    »Wo ist die Frau, die hier lebt?« fragte Max bestimmt.
    »Fort«, stöhnte der Mann. »Nürnberg...«
    Max packte ihn an den Schultern. »In Nürnberg? Larissa ist in Nürnberg?«
    Sina sprang auf ihn zu und löste ihn mit sanfter Gewalt von dem Verletzten. »Er stirbt«, wisperte sie ihm zu. »Du mußt seinen Tod nicht unbedingt beschleunigen.«
    »Er weiß, wo Larissa ist«, gab Max wenig

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