Hex
hinunter und sahen aus der Ferne, wie der Sanitätswagen vor dem Haus hielt. Sina hielt das nächstbeste Mietautomobil an. Zwei Minuten später waren sie weit genug entfernt, um aufatmen zu können.
»Ich fahre nach Nürnberg«, beschloß Max leise. Und zum Fahrer sagte er lauter: »Bringen Sie mich zum nächsten Fernbahnhof.«
Sina sah ihn an, als hätte er endgültig den Verstand verloren. »Ohne jeden Anhaltspunkt? Wie willst du sie je finden?«
Seine Miene verriet Entschlossenheit. »Bis ich ankomme, ist mir hoffentlich etwas eingefallen.«
»Und Zacharias? Sollten wir nicht erst einmal versuchen, mit ihm zu sprechen?«
Max starrte sie eindringlich an. »Ich werde mit niemandem mehr sprechen, bevor ich nicht ganz genau weiß, was mit Larissa geschehen ist. Der Mann sagte, sie sei entführt worden, von irgendeiner einer mysteriösen Gesellschaft.« Er bemerkte, daß der Fahrer sich weit zurückgelehnt hatte, vielleicht zufällig, vielleicht auch um zu lauschen. Daher legte Max den Zeigefinger an die Lippen und schwieg.
Am Bahnhof hielt das Fahrzeug an. Max zahlte und stieg aus. Ehe er sich versah, stand Sina neben ihm an der Bordsteinkante.
»Ich komme mit«, sagte sie.
Insgeheim hatte er gehofft, daß sie das sagen würde. »Du mußt das nicht tun. Du kannst hierbleiben und herausfinden, was mit dem Hex geschehen ist.«
Sie schüttelte den Kopf und spitzte trotzig die Lippen. »Ich glaube nicht, daß das Hex überhaupt noch existiert.«
»Wie kommst du darauf?«
Das Mietautomobil fuhr davon. Sina blickte ihm einen Augenblick lang gedankenverloren nach. »Als ich wegen des Krankenwagens telefonierte, habe ich gleich darauf versucht, die Zentrale zu erreichen. Ich wollte mit Zacharias sprechen. Aber man sagte mir nur, er sei nicht in der Stadt.«
»Der Alte verläßt niemals die Stadt«, entgegnete Max. »Er behauptet, er müsse immer erreichbar sein.«
»Eben«, bestätigte Sina. »Dann versuchte ich, mich mit Dominik verbinden zu lassen. Ob das ein Scherz sei, fragte man mich. Und dann wollte der Kerl unbedingt meinen genauen Standort erfahren. Ich habe eingehängt.« Sie schüttelte verständnislos den Kopf und verbesserte sich: »Er sagte nicht einfach ›ein Scherz‹, sondern, ›ein geschmackloser Scherz‹.« Sie schüttelte den Kopf. »Verstehst du das?«
Er sah ihr lange in die Augen und erkannte, daß sie dasselbe dachte wie er. »Glaubst du, Dominik ist irgendwas zugestoßen?«
Es fiel ihr schwer, darauf eine ehrliche Antwort zu geben. »Wenigstens wäre das Grund genug, um den Alten dazu zu bringen, nicht erreichbar zu sein.«
»Larissa entführt, die Villa abgebrannt, Zacharias verschwunden und Dominik...« Ja, was? Er brach ab. »Was, zum Teufel, geht hier vor?«
Sina sah den schmerzvollen Ausdruck in seinen Augen und zog ihn am Ärmel. »Komm, wir gehen rein. Ich will den nächsten Zug nicht verpassen.«
Max folgte ihr. Eilig durchquerten sie die dichtbevölkerte Halle, drängelten sich mit Hilfe ihrer Ausweise am Schalter vor und erfuhren, daß der nächste Zug Richtung München in knapp zwanzig Minuten fuhr. Wenigstens einmal hatten sie Glück. Sina ließ sich die Zeiten aufschreiben und kaufte zwei Fahrkarten.
»Acht Stunden bis Nürnberg«, sagte sie zu Max, als sie schließlich im Zug saßen. Sie hatten ein Abteil für sich und gaben dem Schaffner Anweisung, dafür zu sorgen, daß kein weiterer Fahrgast sich zu ihnen gesellte. Der Mann studierte ihre Ausweise mit nervtötender Akribie, dann nickte er.
Schließlich, nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte und inmitten einer Qualmwolke aus dem Bahnhof stampfte, sagte Max: »Wir sollten versuchen, die Dinge zu sortieren. Irgendwie eine Verbindung herzustellen zwischen allem, was geschehen ist.«
Sina machte den Anfang. »Larissas Rolle ist am einfachsten zu erklären. Dieselben Leute, die dem Magier den Auftrag gaben, dich zu töten, haben nun sie entführt. Der Magier hat seine Auftraggeber wahrscheinlich längst telegrafisch über alles in Kenntnis gesetzt.«
»Angenommen, sie hielten Larissa als Geisel fest – wen wollen sie erpressen? Mich?«
»Möglicherweise.«
»Aber weshalb? Was habe ich, das sie nicht haben?«
»Vielleicht die Zeichnung?« schlug Sina vor, aber es klang halbherzig.
»Die kenne ich doch selbst erst seit einer Stunde. Außerdem erklärt das nicht, weshalb der Magier mich töten wollte.«
Sina überlegte einen Augenblick. »Klammern wir dich für einen Augenblick aus. Wer sonst wäre durch
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