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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Tage, in denen das Treiben der Gesellschaft irgend etwas bewirken konnte, sind längst vorbei.«
    »Wenigstens nach außen hin.«
    »Du glaubst wirklich, die Thule-Gesellschaft ist wieder aktiv?«
    »Darauf zumindest lassen die Worte dieses Mannes in Larissas Wohnung schließen.« Max überlegte. »Was wurde aus Sebottendorff?«
    »Er ist seit sieben Jahren verschwunden. Niemand weiß, wo er sich aufhält. Man vermutet, irgendwo im Ausland, möglicherweise in Nordafrika.«
    »Nicht allzu germanisch, dort unten«, frotzelte er bitter.
    »Schwerlich.« Sina musterte ihn eindringlich. »Glaubst du, dein Vater war Mitglied der Thule-Gesellschaft?«
    Max legte die Stirn in Falten. »Er selbst oder Zacharias oder alle beide. Darauf scheint es hinauszulaufen.«
    »Vorausgesetzt, es wäre so«, überlegte Sina, »dann müßte es innerhalb der Gesellschaft zu einem Streit gekommen sein. Irgendwer versucht, Einfluß auf deinen Vater zu nehmen, und dabei geht er so weit, Larissa zu entführen und dich ermorden zu lassen.«
    »Irgendwie hat das alles mit dieser Explosion oben in Grönland zu tun. Mit diesem mißglückten Sprengstofftransport, falls es überhaupt einer war.«
    »Das war Jessens Theorie. Und Jessen mag ebenfalls dazugehören. Vielleicht hat er versucht, uns von der wahren Absturzursache abzulenken.«
    »Das liegt doch auf der Hand. Die Fäden laufen im alten Thule zusammen, in Qaanaaq.« Max zögerte. »Irgend etwas ist dort oben.«
    Sina war blaß geworden. »Wenn das wahr ist, wenn die Thule-Gesellschaft wirklich wieder aktiv ist und durch Zacharias Einfluß auf das Hex genommen hat, dann bedeutet das...«
    Max’ Stimme klang hart und eisig. »Daß wir, ohne es zu wissen in ihrem Auftrag gehandelt haben.«

Kapitel 2
    Die Schwarze Reichswehr war überall. Ganz gleich, wo Larissa sich aufhielt, ob zwischen den ehrwürdigen Fachwerkfassaden der Weißgerbergasse, ob an den baumbeschatteten Ufern der Pegnitz, die mitten durch Nürnberg floß, ob in der hohen, weihrauchgeschwängerten Halle der Frauenkirche oder in den engen Gäßchen der Lorenzer Altstadt – überall stieß sie auf die schwarzuniformierten Soldaten, die sich allein und in Gruppen unter den Menschen bewegten, als sei es ihr alleiniges Vorrecht, hier für Ordnung zu sorgen.
    Larissa wußte nicht, wie es in anderen Städten des Reiches aussah, aber zumindest in Berlin hatte es noch keinen solchen Aufmarsch der Schwarzen Reichswehr gegeben. Warum konzentrierten sich die Schwarzuniformierten ausgerechnet auf Nürnberg? Es mußte einen Grund dafür geben, und er gehörte fraglos ebenso zur Lösung des großen Rätsels wie die Hintergründe ihrer Entführung und das plötzliche Auftauchen und erneute Verschwinden des Leierkastenmannes.
    Ihre Handtasche war in Berlin zurückgeblieben, aber im Futter ihres Mantels hatte sie ein paar zerknüllte Geldscheine gefunden, die sie vor Monaten dort versteckt und seither vergessen hatte. Damals hatten Taschendiebe rund um den Kudamm für Aufregung gesorgt, und Larissa hatte angenommen, ihr Geld sei im Mantelfutter am sichersten. Jetzt aber erlaubte es ihr, für vier Nächte ein schäbiges Hotel in einem Hinterhof am Weinmarkt zu beziehen, mit kargem Frühstück und ohne fließendes Wasser. Ihr Zimmer lag direkt unterm Dach, und sie teilte es sich mit einer Familie ungemein fortpflanzungsfreudiger Spinnen. Sie saßen in den Ecken, im Schrank, unterm Bett und im Winkel der schrägen Dachluke, die eine herrliche Aussicht über die alten Giebel bis hinauf zur Kaiserburg bot. Streng und trutzig erhob sich das mächtige Gemäuer über der Stadt, ein klobiges Monument aus Fels und dunklem Stein.
    Larissa hatte lange überlegt, was sie tun sollte. Die Rückkehr nach Berlin schien ihr unklug, denn zweifellos würde man genau das von ihr erwarten und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen. Wahrscheinlich wurde ihre Wohnung längst überwacht, und ein weiterer Trupp von Entführern stand bereit für den Zugriff. Sie wollte nicht den Fehler begehen, ihre Gegner zu unterschätzen. Bestimmt würden sich die Männer durch ihre Flucht nicht von ihren Plänen abhalten lassen.
    Daher hatte sie beschlossen, vorerst in Nürnberg zu bleiben und herauszufinden, wohin man sie hatte bringen wollen. Das massive Aufgebot an Soldaten der Schwarzen Reichswehr war Hinweis genug, daß sie auf der richtigen Spur war.
    Was aber würde sie tun, wenn sie tatsächlich mehr über das Ziel ihrer Gegner erfuhr? Manchmal, in Augenblicken, wenn ihre

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