Hexen-Horror
es nehmen konnte. Aber Dennis weigerte sich. Er hatte einen Dickkopf. »Meine Mutter wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Darauf könnt ihr euch verlassen.« Er hoffte, mit dieser Drohung etwas erreichen zu können, aber die beiden Weiber öffneten nur ihre Münder und amüsierten sich, was den Jungen wiederum ärgerte. Dennis merkte, dass ihm das Blut in den Kopf stieg. Er wollte nicht, dass dies passierte, aber er schaffte es auch nicht, sich dagegen zu wehren. Es steckte einfach zu viel an Emotionen in ihm. Die alten Frauen hatten ihm die Gesichter zugedreht. Sie beobachteten ihn. Er konnte dem Zwang ihrer Blicke nicht entkommen und stellte fest, dass ein kalter Schauer über seinen Körper rieselte. Ohne es eigentlich zu wollen, griff er zum Besteck und begann zu essen. Er stopfte die Nudeln zusammen mit der Soße in seinen Mund und schaute zu, wie ihn zwei Augenpaare dabei anstarrten. Den Weibern machte es Spaß, ihn essen zu sehen.
Den Teller hatte er nie ganz leer gegessen. Auch jetzt stopfte er das Zeug lustlos in sich hinein, während er ins Leere starrte. Die Nudeln waren in seiner Fantasie zu Würmern geworden, die in dünnem Blut gebadet hatten.
Er würgte. Er schüttelte sich, und das Besteck fiel ihm aus den Händen. Angespannt starrte Dennis auf den Teller. Sein Inneres war durch Gefühle aufgewühlt. Er strich über seine Augen, weil er die Nudeln in der roten Soße nicht mehr sehen konnte.
Bewegten sie sich wirklich von allein? Krochen sie über den Teller hinweg? Schleiften sie durch die dünne Soße, damit sie irgendwann den Rand erreichten, um über ihn hinweg auf den Tisch zu kriechen?
Er schloss die Augen. Er wollte es nicht mehr sehen, aber da war der Zwang, der ihn dazu brachte, die Augen wieder zu öffnen.
Auf dem Teller tat sich nichts. Alles war ruhig. Die Nudeln lagen in ihrer Soße, und mehr war nicht passiert. Auch die beiden alten Frauen hockten noch auf ihren Plätzen, als hätte man sie dort festgebunden. Sie hatten ihre schmalen Lippen zu einem Lächeln in die Breite gezogen und schienen großen Spaß zu haben.
»Ich will nicht mehr«, flüsterte er.
»Gut«, sagte Barbara, »dann lass es sein. Wir wollen dich ja nicht zwingen«, fügte sie leise lachend hinzu.
Das glaubte er ihr nicht. Dennis schaute sie wieder an. Keine Bewegung in ihrem Gesicht. Selbst die Augen waren starr geworden, aber Dennis merkte den Druck, der von dieser Person ausging. Sie hatte alles im Griff, und das ärgerte ihn.
Man schob ihm die mit Mineralwasser gefüllte Plastikflasche zu, die er aufdrehte. Sie war noch jungfräulich. Niemand hatte aus ihr getrunken. Er hörte das Zischen, hob die Flasche an und drückte die Öffnung gegen seinen Mund.
Das Wasser tat ihm gut. Er schmeckte auch. Es verwandelte sich in seiner Fantasie nicht in Blut. Und erst jetzt merkte er, wie groß sein Durst war. Fast ein Drittel des Inhaltes verschwand in seinem Magen, bevor er die Flasche wieder absetzte.
Dennis kannte die Regeln. Den Teller würden sie wieder mitnehmen. Die Flasche ließ man ihm. Das war alles okay. Daran hatte er sich auch gewöhnt, aber jetzt war es anders. Zwar hatten die beiden noch nichts dergleichen gesagt oder getan, aber er spürte, dass irgendetwas anders war oder sich zu verändern anschickte.
Sie standen nicht auf. Sie blieben hocken. Sie schauten ihn an. Die eine von vorn, Barbara von der rechten Seite. So wurde er ins Kreuzfeuer der Blicke genommen.
Dennis traute sich nicht, eine Frage zu stellen. Auch nicht, als Barbara sich bewegte und die rechte Hand in die Tasche ihrer Kutte verschwinden ließ. Aus ihr holte sie ein kleines Gefäß hervor, das mit einem Schraubverschluss zugedreht war. Sie stellte es auf den Tisch. Dennis sah, dass es Ähnlichkeit mit einem Tintenfässchen hatte. Auch sein Inhalt war dünn wie Tinte.
»Es ist heute ein wichtiger Tag«, flüsterte Barbara ihm zu. »Denn heute bekommst du die Hexentaufe, Söhnchen.«
Dennis hatte den Satz gehört. Er hatte ihn auch verstanden, aber er hatte ihn nicht begriffen, denn er schüttelte den Kopf wie jemand, der sich dagegen wehrte.
»Doch, Söhnchen, du wirst sie bekommen. Es ist wichtig, denn in der nächsten Nacht wird sich alles entscheiden. Da bist du dann die wichtigste Person.«
»Nein, ich will weg!«
»Das bestimmen wir. Aber ich weiß nicht, ob du später wirklich von uns weg willst, denn du wirst zu uns gehören, Söhnchen. Nur zu uns, verstehst du?«
Er sagte nichts. Etwas hatte seinen Magen
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