Hexen-Horror
wütend gewesen. Er hatte sogar geschrien. Er hatte sich verrückt benommen, aber er hatte später auch einsehen müssen, dass nicht er der Chef im Ring war, sondern die anderen. Die bestimmten, wo es lang ging. Die gaben ihm das Essen und auch das Trinken, und er kam sich jedes Mal vor, als würde er ein Almosen entgegennehmen.
Er weinte nicht mehr. Er schrie euch nicht. Er hockte zumeist apathisch im Dämmerlicht. Saß mal am Tisch, legte sich auch auf das Bett und schaute hin und wieder in die Glotze, obwohl ihm die Programme, die ihn früher interessiert hatten, in seinem Zustand nichts mehr sagten. Er wurde körperlich apathisch, nur seine Gedankengänge funktionierten noch, und dabei kehrte auch wieder die Erinnerung an zu Hause zurück.
Für Dennis war sein Elternhaus alles andere als super. Den Vater konnte er vergessen, die Mutter tat ihr Bestes, aber sie war einfach zu schwach, um gewisse Dinge zu ändern.
Im Sport hatte Dennis Erfüllung gefunden. Seinem Elternhaus hatte er sich immer mehr entfremdet, doch jetzt, gefangen in diesem verdammten Wagen, da wünschte er es sich wieder zurück. Er wünschte sich dahin, wo er sich nie wohl gefühlt hatte. Aber dort hatte es zumindest eine Ordnung gegeben, auf die er sich verlassen konnte, und das war hier in der Gefangenschaft nicht der Fall.
Kein Telefon. Kein Handy. Überhaupt keine Möglichkeit, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Genau das war es, was ihm ebenfalls verdammt wehtat.
Er war nie einsam gewesen. Er hatte immer Freunde gehabt. Viele auch aus dem Verein, und die Glotze konnte ihm die Freunde auf keinen Fall ersetzen.
War es Tag? War es Nacht?
Dennis konnte es nicht sagen. Für ihn sah fast alles gleich aus. Da war es wohl gut, wenn der Fernseher lief, und all die Bilder der frei in der Stadt und der Welt herumlaufenden Menschen machten ihn fast kirre. Dann hätte er am liebsten in den Apparat hineingeschlagen, aber das brachte ihm auch nichts ein.
So fand er sich mit den Gegebenheiten ab, und wenn er die schrecklichen Bilder aus dem Kriegsgebiet in Afghanistan sah, dann sagte er sich, dass es ihm doch viel besser ging als den armen Geschöpfen in diesem kargen, zerbombten Land, in dem der Hunger regierte und in das bald der strenge Winter wie ein Raubtier einfallen würde.
Aber immer auf die Glotze starren, wollte er auch nicht. Es gab eine Lampe im Wagen. Die schaltete er hin und wieder ein. ihm war auch schon die Idee gekommen, das Innere des Wohnwagens nach Waffen abzusuchen, doch das hatte er schließlich aufgegeben. Wenn sie kamen, dann zu zweit, nie allein, und es hätte ihm auch nichts gebracht, wenn er eines dieser alten Weiber überwältigt hätte. Die anderen wäre immer stärker gewesen als er. Denn in der Masse kam er nicht gegen sie an.
Alles Menschliche blieb, wie auch der Hunger, und er rechnete damit, dass man im bald das Essen bringen würde und dann auch den Kühlschrank wieder auffüllte.
Zweimal hatte er geduscht und sich trotzdem nicht wohler gefühlt. Er war ein Gefangener, und daran änderte auch nichts der relative Luxus eines abgestellten Wohnwagens.
Hinzu kam die Frage, wo er überhaupt seinen Stellplatz gefunden hatte. In München oder außerhalb der Stadt?
Dennis Hirmer stammte zwar aus München, aber er wusste nicht, wo man die Wohnwagen fand. Vor allen Dingen nicht im Winter, wenn es zu kalt war, in diesen Dingern zu übernachten.
Eine Heizung lief nicht, aber der Wagen selbst war gut isoliert. Bisher hatten seine Wände die Kälte abgehalten. Wenn die Temperatur jedoch sank, sah es nicht so gut aus.
Schlafen, fernsehen. Es war immer der gleiche Mist. Der gleiche Kreislauf. Und dann die Besuche der alten Weiber. Wie sie ihn angeschaut hatten, mit welchen Blicken und Augen. So hungrig, als würden sie sich am ihm satt sehen. Immer schlimmer war es geworden, je mehr Zeit verging.
Wie würde man sein Verschwinden aufnehmen? Zu Hause würde man nach ihm suchen. Seinem Alten war es egal, aber seine Mutter hatte sicherlich die Polizei eingeschaltet. Sie machte sich Sorgen, sie würde schon alles in die Wege leiten und...
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Er begann zu schreien. Er trommelte mit den Fäusten gegen die Wand. Er holte tief Luft. Er verschluckte sich fast, er musste plötzlich weinen, obwohl er sich darüber ärgerte, aber das war nun mal so.
Und dann hörte er das Geräusch. Dieses verdammte und verfluchte Geräusch, das so harmlos klang, so völlig natürlich war und das er trotzdem
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