Hexen in der Stadt
Sabine?«
Aus der Chronik des Malefizschreibers
Es sind fremde Richter aus andern Städten zugezogen worden samt deren Schreibern, auch neue Lokalitäten als Gerichtsstuben eingerichtet worden, im Kapitelhaus, im Spital und anderwärts, samt neuen Gefängnissen, wo und wie es nur angeht, die Menge der Gefangenen aufzunehmen, so allgemach nach Hunderten zählt. Doch leisten so unvollkommene Notbehelfe der flucht Vorschub, die manchem in letzter Zeit gelungen ist.
So ist im verwichenen Frühjahr der Doktor Burkhardt entkommen, dem Fürsten sein Leibsyndikus, dessen Eheweib schon im vierten Brand hat drangemußt. Der Doktor Dürr hat den Syndikus zu Anfang des Jahres auf mehrere Besagungen hin lassen gefänglich setzen und verhören. Der Burkhardt hat sich hart gehalten und den Richter verhöhnt , er werde ihm beweisen, daß alles, was hier verhört und protokolliert werde, und wofür die Menschen verbrannt würden, nichts sei als Altweibergewäsch, das studierte Leute närrischerweise ernst nähmen. Bei solchem Gerede läuft ja schon unsereinem die Galle über, der bei mehr als hundert Fällen Protokoll geführt hat und Bescheid weiß. Um wieviel mehr muß es den Richter aufbringen, der ebenso viele Todesurteile gefällt und nicht einmal der eigenen Mutter geschont hat. Der Doktor Dürr ist denn auch in großen Zorn geraten, wie ihn noch keiner gesehen, und hat den Syndicus torquieren lassen, daß es eine Art gehabt hat. Der aber ist fest geblieben und hat unter den Schmerzen immer lauter geschrien, erbleibe dabei und werde es dem Richter beweisen. Sie haben am Ende von ihm ablassen müssen, weil Meister Conz auch einmal hat Feierabend machen wollen. Am nächsten Morgen aber ist der Burkhardt weg gewesen, geflohen, trotz seiner ausgerenkten Glieder. Der Teufel muß ihm geholfen haben. Doch hat man seither den Wächter Christian Übelacker gehenkt, darum, weil er etlichen zur Flucht verholfen haben soll. Der Burkhardt jedenfalls ist nach Speyer entkommen und hat Beschwerde beim Reichskammergericht erhoben. Von da ist im Mai ein Brief gekommen, der Fürstliche Gnaden sehr in Hitze gebracht haben muß und einen bösen Wirbel in der Kanzlei verursacht hat, darum daß man gerade den Syndicus hat entwischen lassen, der als ein gewiegter Jurist noch manche Schererei machen kann. Sonst aber hat das Schreiben aus Speyer keinerlei Wirkung getan. Die Prozesse gehen fort wie zuvor, und gehet die Anzahl der Gerichteten nunmehr stark ins zweite Hundert. Es nehmen jetzt die jungen Menschen und sogar die Kinder Überhand, so daß einen billig grauen mag vor solcher Verderbnis der Jugend. Die Zauberei ist so allgemein geworden, daß die Kinder auf der Gasse sie einander lehren. Wo will das noch hin! So sind seither gerichtet worden als namentlich folgende Personen:
Im dreizehenden Brand vier Personen:
Der alte Hof-Schmied,
Ein alt Weib,
Ein klein Mägdlein von neun oder zehn Jahren,
Ein geringeres, sein Schwesterlein.
Im vierzehenden Brand zwei Personen:
Der erst gemeldeten zwei Mägdlein Mutter,
Der Hehlerin Tochter von vierundzwanzig Jahren.
Im fünfzehenden Brand zwei Personen:
Ein Knab von zwölf Jahren in der ersten Schul,
Eine Metzgerin.
Im sechzehenden Brand sechs Personen:
Ein Edelknab von Reitzenstein ist morgens sechs Uhr auf dem Kanzleihof gerichtet worden und den ganzen Tag auf der Bahr stehen blieben, dann hernacher den andern Tag mit den hier beigeschriebenen verbrannt worden,
Ein Knab von zehn Jahren,
Des obgedachten Ratsvogtes zwei Töchter
und seine Magd,
Die dicke Seilerin.
Im siebenzehenden Brand vier Personen:
Der Wirt zum Baumgarten,
Ein Knab von elf Jahren,
Eine Apothekerin zum Hirsch und ihre Tochter.
NB. Eine Harfnerin hat sich selbst erhenket.
Im achtzehenden Brand sechs Personen:
Der Batsch, ein Rotgerber,
Ein Knab von zwölf Jahren,
Noch ein Knab von zwölf Jahren,
Des Doktor Jungen Tochter,
Ein Mägdlein von fünfzehen Jahren,
Ein fremd Weib.
Im neunzehenden Brand sechs Personen:
Ein Edelknab von Rotenhan ist um sechs Uhr auf dem Kanzleihof gerichtet und den andern Tag verbrannt worden.
Die Secretärin Schellharin,
Noch ein Weib,
Ein Knab von zehen Jahren,
Noch ein Knab von zwölf Jahren.
Die Bruglerin, eine Beckin, ist lebendig verbrannt worden.
Im zwanzigsten Brand sechs Personen:
Das Göbel Babelin, die schönste Jungfrau der Stadt,
Ein Student der 5. Schule, so viele Sprachen gekonnt und ein vortrefflicher Musicus vocaliter
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