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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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geht’s nicht viel anders. Ich bin nur ein Arzt, und mein Wissen ist nicht mit dem ihren zu messen. Aber so viel weiß ich doch: Krankheit und Gesundheit, Tod und Leben sind viel zu gewaltige Dinge, als daß der Zauberspruch irgendeines alten Weibes etwas darüber vermöchte. Das alles läuft nach unbekannten Gesetzen ab. Vielleicht werden wir eines Tages mehr von ihnen wissen, in noch fernerer Zeit vielleicht sogar Einfluß auf sie nehmen können. Das ist unser aller Ziel, wo und wie wir auch der Wissenschaft dienen.«
    Sebastian hatte mit großem Ernst und so voll Überzeugung gesprochen, daß dem Pater die Widerrede nicht leicht fiel. Ohne das gebührende Gewicht brachte er seine Frage heraus: »Darum glaubt Ihr also, daß es keine Hexen gibt?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf mit einem Ausdruck fast belustigten Eigensinns. »Hab’ ich’s denn nicht deutlich genug gesagt? Soviel ich mit meiner unvollkommenen Einsicht erkenne, lassen die Naturgesetze keinen Raum für das Treiben irgendwelcher finsterer Geister. Seht, ich habe in Padua die Anatomie studiert. Auch dort in Welschland glaubt das Volk an Hexen. Aber es nimmt sie leichter und schreit nicht gleich nach dem Malefizgericht, wenn mal ein altes Weiblein sich als Ärztin versucht oder einen Liebestrank braut. Das gehört da eben zum Leben. Nur wo Schlimmeres im Spiele ist, etwa Giftmord oder Ketzerei, da geht es ihnen nicht anders als hier. Aber in den Hörsälen der Universitäten hört man kein Wort von dergleichen – anders als hier. So wären auch mir die Hexen so gleichgültig geblieben wie ich ihnen, wenn sie sich mir nicht in den Weg gedrängt hätten. Ich hätte eben nie wieder den Fuß in die alte Heimat setzen sollen.«
    Also doch! dachte Pater Friedrich, auch er. »Ihr müßtet wohl mehr als ein Mensch sein, wenn Euch niemals im Leben die Macht der Finsternis begegnet wäre.«
    »Die Macht der Finsternis? Wenn Ihr darin Dummheit und Bosheit des großen Haufens begreift, so ist sie mir tatsächlich begegnet.
    Als ich meine Studien in Padua beendet hatte, zog es mich an eine der großen Hochschulen im Ausland, in Frankreich oder in den Niederlanden. Denn nicht das Tagewerk eines Arztes lockte mich, sondern die Forschung, die hohe Wissenschaft. Meine Eltern waren gestorben. Ich nahm nur kurzen Aufenthalt in meiner Heimatstadt in Thüringen, machte mein Erbe zu Geld und trat mit einem Mantelsack voll Bücher und Instrumente, zwei Pferden und unserm alten Diener die Reise nach Süden an. Und da, seht, verlegte mir die Macht der Finsternis für immer den Weg.
    In einem Flecken am Main hatte sich das Volk gerottet, um einer Toten noch Schande anzutun. Es war die Schloßvogtin, die im Ruf der Hexerei gestanden hatte und nun vom Teufel geholt worden sein sollte. Die Dorfleute wehrten ihrer Bahre den Einlaß in die Gruftkapelle. Der Pfarrer war machtlos oder im Bunde mit ihnen. Ein megärenhaftes Weib, die Buhlerin des Vogtes, wie ich später erfuhr, hetzte laut und verlangte, daß der Leichnam unter dem Galgen verscharrt oder besser noch verbrannt werden sollte. Zwischen der wehrlosen Toten aber und der lechzenden Meute stand als einziger Schutz ein Jungferchen von fünfzehn oder sechzehn Jähren, das mit ausgebreiteten Armen und flehentlichen Bitten die Gewalttat zu hindern suchte – wie lange noch? Einen noch jüngeren Buben, der mit gezogenem Degen ihr zur Seite stand, führte ein älterer Mann beiseite, wohl ein Diener des Hauses, in guter Absicht anscheinend. Des Mädchens aber nahm sich keiner an. Schon hörte man Stimmen, die auch sie, die Tochter der Toten, als Hexe beschuldigten und das Feuer für sie forderten.
    Das alles sah ich von den Stufen des Gasthofs mit an. Denn ich war eben im Begriff gewesen aufzubrechen. Mein treuer Kaspar hatte die Pferde schon vorgeführt. Das Fräulein hatte aber irgendwie von meinem Aufenthalt im Dorf erfahren, und daß ich Arzt sei. Sie rief mich an und flehte, ich möge dem dummen Volk die wahre Todesursache ihrer Mutter offenbaren und bezeugen, daß sie nicht an teuflischer Einwirkung, sondern an schwerer Krankheit gestorben sei. Es war eine sonderbare Situation. Ich wunderte mich selbst darüber, daß ich dieser Bitte willfahrte, vielleicht darum, weil es mir widerstrebte, ein so grausames Unrecht geschehen zu lassen. Dort, auf offenem Dorfplatz, inmitten der von schaudernder Neugier erstarrten Menge, ließ ich mir von Kaspar meine Instrumente zureichen und sezierte die Leiche so sorgsam, wie ich es in der

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