Hexenblut
Schmerzen heraus.
Er lachte laut auf. »Nein, was dich wirklich interessiert, das ist die Frage, was ich ihnen getan habe.« Dann hob er seine Hand. »Es reicht, du wirst keine Freundlichkeit mehr erfahren.« Mit diesen Worten erhob er sich und verließ zügig ihre Zelle.
Nachdem er gegangen war, ließ sie den Kopf auf den Boden sinken und schloss die Augen. So verharrte sie eine Weile, während sie die kalte Erde an ihrer Stirn fühlte. Irgendwann hörte sie ein Geräusch, und als sie aufsah, erblickte sie den zweiten Mann, den jüngeren, dessen Kapuze lockerer saß. Er hielt einen Plastikbeutel in der Hand.
»Noch einen Brief«, sagte er.
Sarah schüttelte den Kopf. »Nein.«
Er machte einen Schritt nach vorn. »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um die Heldin zu spielen.« Er hielt ihr den Beutel unter die Nase.
»Was ist, wenn ich es nicht mache?«
Er deutete auf das Loch in der Erde. »Dann kannst du dich gleich zu den beiden legen.«
Ein paar Sekunden lang überlegte sie, dann hielt sie ihm die Hand hin. Er gab ihr Stift und Papier, dazu einen Zettel mit dem Text. Nachdem sie gelesen hatte, was sie schreiben sollte, saß sie fassungslos da. »Das kann ich nicht schreiben.«
Er nickte. »Das wirst du aber tun.«
Wieder sah sie zu dem Loch, das sie gegraben hatte, dann stiegen ihr Tränen in die Augen und nahmen ihr die Sicht. Sie wischte sich die Tränen weg und begann zu schreiben. Als sie fertig war, ließ sie den Kopf auf ihre Arme sinken und schluchzte laut.
Dass er die Zelle verließ, bekam sie nicht mit. Sie wusste auch nicht, wie lange sie schon wieder allein war. Das Einzige, was sie wusste, war, dass dies der letzte Tag ihres Lebens sein würde.
61
I ch trat in einen kleinen Raum mit Blick auf die Straße. Die Wände waren vor langer Zeit weiß gestrichen worden, aber inzwischen hatte alles das Gelb von Nikotin angenommen. Als ich meine Tasche auf den Tisch legte, kam Carson mit seinem Kollegen in den Raum gestürmt, sodass die Tür gegen die Wand flog.
»Sie werden kein Wort über diese Briefe schreiben«, sagte er mit Nachdruck.
»Ich schreibe das, was die Story interessant macht«, erwiderte ich. »Und wenn Sie wissen, dass der Text ihrer Briefe aus den Hexenprozessen stammt, warum widersprechen Sie dann so vehement der Verbindung zu den Hexen? Das ist doch mehr als unlogisch.«
»Setzen Sie sich, Mr Garrett!«, herrschte Carson mich an.
»Nein, das werde ich nicht tun«, widersprach ich. »Ich bin hergekommen, weil ich Informationen für Sie habe. Wenn Sie diese Informationen bereits kennen, werde ich gehen. Wenn Sie sie nicht kennen, dann hilft es Ihnen vielleicht zu wissen, dass Sarah heute sterben wird.«
»Wir wissen von diesem Facebook-Eintrag«, sagte er sarkastisch.
»Das ist nicht alles«, gab ich zurück.
Carson setzte zum Weiterreden an, machte dann jedoch wieder den Mund zu, woraufhin sein Kollege vortrat.
»Ich bin Sergeant Joe Kinsella«, stellte er sich vor und lächelte höflich. »Sagen Sie uns bitte, was Sie wissen.«
Er sprach in einem ruhigen Ton, und seine Augen verrieten seine Neugier. Carson kochte noch immer vor Wut, aber mir war bewusst, dass Joe Kinsella als der ruhigere von beiden ihn in Schach hielt.
»Okay«, sagte ich schließlich. »Vielleicht haben Sie recht, und Sarah hat Luke tatsächlich aus Leidenschaft getötet. Vielleicht hat sein Tod dazu geführt, dass sie den Verstand verloren hat. Es ist auch denkbar«, fuhr ich fort, »dass sie bereits vorher verrückt war. Womöglich war sie von der Hexerei besessen und hat in ihrem Wahn Luke ermordet. Vielleicht sind die Briefe eine Manifestation dieses Wahnsinns. Wenn das der Fall sein sollte und diese Frau eine Gefahr darstellt, auch eine Gefahr für sich selbst, dann muss sie gefasst werden.«
Carson nickte und zog eine spöttische Miene. »Und ich habe eine dritte Variante zu bieten: Sie ermordet ihren Freund, dann wird ihr klar, dass sie das vor Gericht bringen wird, also bittet sie einen zwielichtigen Strafverteidiger um Hilfe, der ihr rät, sie solle die Verrückte mimen. Sie verfasst ein paar geschickt formulierte Briefe und hofft darauf, dass die Geschworenen mit ihr Mitleid haben. Und später werden wir sie dann in einer Talkshow zu sehen bekommen als die Frau, die gemordet hat und dafür nicht ins Gefängnis musste.«
»Sie sind einfach zu zynisch für Ihren Job«, gab ich zurück und ergriff wieder das Wort. »Es gibt nämlich noch eine weitere Möglichkeit, und die ist die
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