Hexenblut
Bitte angenommen.« Ich zeigte auf den Bildschirm. »Das ist ja ausgesprochen interessant.«
Neugierig beugte sich Laura vor. »Sie sieht glücklich aus«, meinte sie nach einem Blick auf das Foto im Profil.
Nach einem Klick auf Sarahs Bilder wurde eine Reihe von Familienfotos gezeigt: auf einer Party, wie sie eine Flasche Bier in die Kamera hielt, sie Arm in Arm mit ein paar Freundinnen nach einem Wettlauf, die Gesichter von der Anstrengung gerötet. All das zeigte eine lebenslustige junge Frau, und es zeigte ein Leben, wie sie es niemals wieder würde führen können. Sie aktualisierte ihre Seite nicht sehr oft, vielleicht hatte sie sich aus einer Laune heraus angemeldet. In ihrem Profil waren nur wenige Freunde aufgelistet, und mir fiel auf, dass sie ihren Status mit »Single« angab.
»Eines ist damit klar«, sagte Laura. »Sie muss sich in der Nähe eines Computers aufhalten. Ich möchte wissen, ob wir die Leute von Facebook dazu bringen können, dass sie uns verraten, von wo aus sie geantwortet hat.«
Ich druckte die Seite aus und klickte den Bereich an, unter dem die Facebook-Mitglieder ihr Tagebuch führten.
»Shit!«, rief ich laut.
Laura gab mir einen Klaps auf den Arm und zeigte auf Bobby. Entschuldigend hob ich eine Hand und zeigte auf den Bildschirm. Als ich Lauras erschrockenes Keuchen hörte, wusste ich, sie hatte es ebenfalls gelesen.
Unter dem Datum des 31. Oktobers stand zu lesen: »Heute sterbe ich. «
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. »Das ist in vier Tagen.«
Sie setzte eine mürrische Miene auf. »Sieht so aus, als müsste ich noch mal bei der Mordkommission vorbeischauen.«
17
S chon wieder war es Morgen. Sarah schloss es daraus, dass es ein wenig wärmer wurde, wenn auch nicht allzu sehr. Acht Tage musste das Ganze jetzt schon dauern, doch es war sehr schwierig, die verstreichende Zeit richtig zu schätzen, da Tag und Nacht sich nicht unterschieden. Ständig brannte das grelle Licht, begleitet vom unablässigen Dröhnen der Herzschläge.
Sarah hatte die ganze Nacht hindurch gezittert, weshalb die Minuten quälend langsam verstrichen waren. Die Arme hatte sie um die Brust geschlungen, es gab kein Bett, keine Decke, keine Kleidung. Sie war in ihrer Zelle hin und her gegangen, zwölf Schritte in einem Oval, ehe sie an ihrem Ausgangspunkt angelangt war. Also war sie weitere zwölf Schritte gegangen, dann noch einmal und noch einmal, bis der Morast zwischen ihren Zehen klebte. Sie wälzte sich im Schlamm, der im ersten Moment zwar kalt war, nach dem Trocknen jedoch wie eine zusätzliche Hautschicht wirkte.
Vielleicht war der Morast ihre Rettung. Die Nachtstunden waren eine Tortur, aber sie wusste, dass die Luft bald wärmer werden würde, wenn auch nur ein wenig. Sie lauschte, ob sie Geräusche ausmachen konnte, die auf Bewegungen hindeuteten.
Doch als es wärmer wurde, kehrten ihre Gedanken zu Luke zurück. Hatten sie ihn tatsächlich umgebracht? Oder war das alles nur Teil dieses Spiels? Wenn sie mit ihm Kontakt aufnehmen könnte, würden sie gemeinsam vielleicht etwas bewirken können.
Sie ging zügiger, doch die Aussicht blieb stets gleich. Sie schaute auf eine Wand, dann auf die nächste und so weiter, lediglich unterbrochen von ihrem Schatten, den sie durch die Deckenleuchten warf. Sie ging schneller, bis ihre Füße sich im Takt der Herzschläge aus den Lautsprechern bewegten.
Irgendwann war sie in einen monotonen Singsang verfallen, und wenn sie eine Weile gegangen war, hüpfte sie auf der Stelle. »Sei stark, sei stark«, sagte sie dann, als würde das genügen, um es wahr werden zu lassen. Aber wenn sie allein war, fiel es ihr leichter, stark zu sein. Dann war da niemand, der ihr wehtun konnte, dann gab es nur ihre eigenen Gedanken und ihre tiefe Verzweiflung.
Abrupt verstummten die Lautsprecher, und Sarah bemerkte, dass sich jemand vor ihrer Zelle aufhielt. Sie erstarrte, ihr Magen verkrampfte sich. Was kam nun wieder auf sie zu?
Ihre Kraft verließ sie, als sie hörte, dass die Tür aufgeschlossen wurde.
* * *
Laura betrachtete die Begleitakte vor sich, ein Blatt Papier im Format A3, das einmal gefaltet war. Darin lag ein Ausdruck, der Auskunft darüber gab, wie die Verhaftung zustande gekommen war. Ein zweites Formular verriet ihr, was mit dem Häftling seit seiner Ankunft in der Zelle geschehen war.
Pete kam um ihren Schreibtisch herum, weil er sehen wollte, was sie da hatte.
»Ein Schläger«, sagte sie und hatte Mühe, ihre Verachtung zu verbergen.
»Todd
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