Hexenblut
du.«
Dann war es ein reißender Strom. Sie glaubte, das Rauschen der Wellen über den Herzschlag hinweg hören zu können. »Pass auf mich auf, Wasser. Bewache mich, führe mich und beschütze mich bei allem, was vor mir liegt. Gesegnet seist du.«
Ihre Stimme wurde kräftiger, während sie im Rhythmus der Herzschläge hin und her schwankte.
Sie drückte eine Hand auf den Boden und nahm eine Handvoll Sandboden hoch. Ihre Nägel fühlten sich brüchig an, die Finger wund, dennoch hielt sie die Hand in die Höhe und ließ die Erde auf sich herabrieseln. »Pass auf mich auf, Erde. Bewache mich, führe mich und beschütze mich bei allem, was vor mir liegt. Gesegnet seist du.«
Sarahs Stimme wurde noch lauter und energischer, sie schien von allen Seiten widerzuhallen und das Getöse aus den Lautsprechern zu übertönen. Sie ballte die Fäuste, Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie hielt die Arme ausgestreckt und sah zur Decke. »Lord und Lady, ich rufe Euch, damit Ihr auf mich aufpasst. Bewacht mich, führt mich und beschützt mich bei allem, was vor mir liegt. Gesegnet seid Ihr.«
Mit der rechten Hand begann sie, einen Kreis um sich selbst zu ziehen, wobei sie sich auf den Knien kriechend im Uhrzeigersinn einmal um sich selbst drehte.
»Ich schaffe diesen Kreis als einen Ort zwischen den Welten«, brüllte sie und drehte sich immer noch weiter. Als sich Anfang und Ende des Kreises schließlich trafen, sank sie keuchend nach vorn. Jetzt konnte sie nur noch warten.
46
N achdem wir uns davon überzeugt hatten, dass Bobby uns nicht hören konnte, setzte ich mich an den Tisch, meine Tasche stand gleich neben mir.
»Deshalb habe ich mich verspätet«, sagte ich zu Laura. »Ich habe wegen der Pendle-Hexen recherchiert.«
Laura schien darüber nicht erfreut. »Du kommst zu spät, weil du dich mit lokaler Geschichte beschäftigt hast? Du hast doch gesagt, es ging um deine Story.«
»Nein, ich habe mich verspätet, weil ich für die Story Nachforschungen über Sarah Goode angestellt habe. Nur haben die sich um die Pendle-Hexen gedreht.«
Laura musste lächeln. »Was denn? Hat sie zu Hause etwa einen spitzen Hut liegen?«
Ich erwiderte das Lächeln. »Es ist viel interessanter«, entgegnete ich und sah wieder nach Bobby, der vor dem Fernseher saß und außer Spongebob nichts um sich herum wahrnahm. »Sarah ist eine Nachfahrin einer der Pendle-Hexen.«
Laura kicherte und versuchte, sich in der Parodie einer Knusperhäuschen-Hexe, indem sie einen Buckel machte, mit dem Kopf wackelte und mich mit einem Finger heranwinkte.
»Es ist wahr«, versicherte ich ihr amüsiert. »Anne Whittle. Sie war eine der Hexen, sogar eine der wichtigsten. Sarah stammt in direkter Linie von ihr ab.«
»Und mit diesem Aufhänger willst du die Story verkaufen? ›In den Adern der Mörderin fließt Hexenblut‹?«, fragte sie seufzend. »Das klingt ein bisschen nach Boulevardpresse. Das ist unter deinem Niveau.«
»Erinnerst du dich an die Briefe?«
Laura nickte.
»Die Texte stammen aus den Hexenprozessen«, fuhr ich fort. »Sie sind leicht umformuliert, aber die Quelle ist eindeutig.«
Sie knabberte auf ihrer Unterlippe herum. Ich holte meine Notizen aus der Tasche und hielt sie hoch. »Sieh es dir an«, sagte sich. »Sarah Goode schickt ein Mordgeständnis, und dafür verwendet sie Worte, die vierhundert Jahre zuvor im Zusammenhang mit dem Prozess gegen ihre direkte Vorfahrin gefallen sind.«
Laura überflog die Briefe, während ich auf die Übereinstimmungen hinwies, die ich zusammen mit Katie an diesem Tag entdeckt hatte. Jetzt lächelte sie nicht mehr.
»Und Sarah ist nicht die einzige Nachfahrin von Anne Whittle, der etwas Tragisches zustößt«, fuhr ich fort. »Ich weiß von mindestens zwei anderen.«
»Wie meinst du das?« Laura wirkte noch immer nicht überzeugt, auch wenn ich nicht wusste, ob sie am Wahrheitsgehalt dessen, was ich erläuterte, zweifelte, oder ob es an ihrer mangelnden Bereitschaft lag, sich in diese Sache hineinziehen zu lassen.
»Zwei andere junge Frauen sind ums Leben gekommen«, entgegnete ich. »Beide waren ebenfalls Nachkommen von Anne Whittle.«
»Du hast gesagt, das Ganze datiert vierhundert Jahre zurück. Da bleibt es nicht aus, dass Leute sterben.«
»Die beiden Fälle haben sich in den letzten zehn Jahren zugetragen.«
Nun war Lauras Interesse ganz offensichtlich geweckt.
»Die erste Frau hieß Mather, April Mather. Sie nahm sich vor zehn Jahren das Leben. Tod durch Erhängen. Die zweite
Weitere Kostenlose Bücher