Hexenblut
ohne die Säcke die Scheune verließen. Die vier stiegen in den Wagen und fuhren los, während ich ihnen nachsah. Der Wagen quälte sich einen steilen Feldweg hinauf und geriet außer Sichtweite, als sie auf die Straße einbogen und davonfuhren.
Mir war klar, dass ich mich beeilen musste, also kletterte ich über die Mauer und versuchte, mich so lässig wie möglich der Scheune zu nähern. Ich konnte nur hoffen, dass mich niemand beobachtete.
Das Scheunentor war groß und schwarz, das Gebäude selbst, das über keine Fenster verfügte, war aus grauen Steinen errichtet, jedoch war an vielen Stellen der Mörtel herausgebrochen.
Ich zog am Tor, das sich laut knarrend und ächzend öffnete. Wenn irgendjemand die Scheune sehen konnte, dann hatte er den Lärm zweifellos gehört und beobachtete jetzt sehr wahrscheinlich, was ich hier trieb. Aber ich war bereits zu weit gegangen, als dass ich jetzt noch hätte umkehren können.
Das Tageslicht, das durch das offene Tor ins Innere fiel, war die einzige Lichtquelle, weshalb es dort recht düster war. Allerdings genügte es, um zu erkennen, dass dort kein landwirtschaftliches Gerät mehr aufbewahrt wurde.
Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ich war besorgt, dass ich hier möglicherweise in etwas hineinschlitterte, das für mich ein paar Nummern zu groß war. Langsam ging ich weiter in dem Bewusstsein, dass meine Chancen, doch noch schnell das Weite zu suchen, wenn die Lage brenzlig wurde, sich mit jedem Schritt verringerte.
Ich hatte Staub und Spinnweben erwartet, alte Werkzeuge, Teile von irgendwelchem Gerät, aber nichts in der Art fand ich dort vor. Die Scheune war leer geräumt und für etwas anderes vorbereitet worden.
Wände und Boden waren schwarz gestrichen, auf dem nackten Beton hallten meine vorsichtigen Schritte laut wider. Vom hohen Dach, das ganz in Dunkelheit getaucht war, hörte ich Tierlaute, ein leises Flattern, ein Kratzen und Schaben. Behutsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, da ich damit rechnete, dass plötzlich jemand aus den Schatten hervortreten würde.
Mein Interesse galt vor allem dem Boden, der komplett von einem weißen Pentagramm überzogen war, einen Stern mit fünf Zacken, um den herum ein weißer Kreis verlief. Die Linien waren freihändig gezogen worden und sahen dadurch unregelmäßig aus, doch das änderte nichts daran, dass dieses Symbol für das Okkulte stand – und damit hatte ich einen Beleg mehr für meine bisherigen Vermutungen, dass Hexenkunst in irgendeiner Weise etwas mit Sarahs Verschwinden zu tun hatte. Mir fiel ein, was der Pfarrer zu mir gesagt hatte: dass Hexerei für manche Leute in der Gegend nicht nur ein Teil einer lange zurückliegenden Vergangenheit war. Als ich mich umsah, musste ich zugeben, dass der Mann recht hatte.
Um den Kreis herum waren Objekte angeordnet, dreiarmige Kerzenleuchter aus Zinn. Insgesamt waren es neun Stück, die vermutlich in den Säcken hereingebracht worden waren.
Ich ging noch einen Schritt weiter, schließlich wollte ich mich noch etwas genauer umsehen. Am Rand des Kreises angekommen, blieb ich jedoch abrupt stehen. Ich bin kein abergläubischer Mensch, doch etwas sagte mir, dass es keine gute Idee war, mitten durch das Pentagramm zu spazieren. Es besaß eine zeremonielle Bedeutung, die ich besser respektieren sollte.
Also ging ich um das Pentagramm herum, bis ich an der rückwärtigen Scheunenwand angekommen war. An der obersten Spitze stand ein alter, ramponierter Eichentisch, der ebenfalls etwas Zeremonielles ausstrahlte, so wie ein Altar. Die Wand dahinter war mit schwarzem Stoff verkleidet, und beim Näherkommen konnte ich dort mit Mühe ein mit Silberfarbe gemaltes Symbol erkennen, das mir ein weiteres Mal eine Gänsehaut verursachte. Es war wieder das Symbol, das ich schon auf Sarah Goodes Stammbaum gesehen hatte: das Gesicht mit dem aufgerissenen Mund.
Ich glaubte etwas zu hören, vielleicht leise Schritte, aber als ich stehen blieb und lauschte, blieb alles ruhig. Mit meiner Kamera schoss ich ein paar Fotos, und im Schein des Blitzlichts wurde ich auf einen Beutel an einer Seite des Kreises aufmerksam. Er sah aus wie der, den die ältere Frau in der Hand gehalten hatte.
Ohne die äußere Linie zu übertreten, ging ich um das Pentagramm herum und warf einen Blick in den Beutel, der randvoll mit Kerzen war. Nach diesem Fund und nach den Kerzenhaltern zu urteilen, stand hier offenbar eine nächtliche Zeremonie bevor. Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war erst
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