Hexenbräute
denke ich auch«, erwiderte Liz und drehte den Zündschlüssel...
***
Es war nicht mehr weit. Noch knapp 30 Meilen. Die beiden Frauen wussten genau, wie sie zu fahren hatten. Nördlich von Llandeilo bogen sie ab auf die B4302, fuhren zwei Meilen ebenfalls nach Norden und bogen dann in eine der zahlreichen kleinen Straßen ein, die wie ein Gewirr aus Adern diesen Teil der Provinz Wales durchschnitten.
Bei Tageslicht mochte die Gegend romantisch sein und zahlreiche Wanderer anziehen. Davon war in der Nacht nichts zu sehen. Die Dunkelheit fraß alles auf, und nur das Licht der Scheinwerfer, das wie eine helle Insel wanderte, sorgte für einen Durchblick.
Hier breitete sich die Einsamkeit eines Landes aus, das in Vergessenheit geraten war. Es gab keine Menschen in der Nähe. Es gab keine Ortschaften und auch keine Häuser. Weder Scheunen noch alte Bauernhöfe. Es gab nur die Straße, die in Richtung Salem führte und durch lichte Waldstücke und Felder schnitt.
Wurde die Sicht besser, dann waren in der Ferne auch Lichter zu sehen. Sie schimmerten durch das Dunkel der Nacht wie die Beleuchtung von Raumschiffen, die auf der Erde gelandet waren wie verirrte Boten einer anderen Welt.
»Warst du schon mal in Salem?«, fragte Liz.
»Nein, noch nie.«
»Ich auch nicht.«
Abigail lachte. »Obwohl du den Namen trägst.«
»So nannten mich meine Adoptiveltern.«
»Zufall?«
Liz runzelte die Stirn. »Nein, daran glaube ich jetzt nicht mehr. Das war kein Zufall. Hier ist etwas passiert, das ich nicht richtig einordnen kann, noch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass mein Name kein Zufall gewesen ist. Das muss vorbestimmt worden sein. Aber wie ist es mit dir? Du heißt Miller.«
»Genau. So heißen Tausende.«
»Damit hast du keine Verbindung zu Salem – oder?«
Abigail zuckte mit den Schultern. »Ob das so ist, weiß ich nicht. Kann ich dir nicht genau sagen. Ich habe auch nicht nachgeforscht. Aber eigentlich hätte mein Name eine Verbindung haben müssen. Alles andere wäre unlogisch gewesen.«
»So denke ich auch.«
»Unsere Beschützerin wird sich schon nicht geirrt haben.«
»Das wäre gut«, gab Liz zu. »Und noch besser wäre es, wenn wir sie zu sehen bekämen.«
»Wartest du darauf?«
»Sogar sehr.«
»Dann wird sie sich wohl nicht länger zurückhalten, denke ich. Ich glaube sogar fest daran, dass sie sich uns offenbart. Auch ich will sie fühlen und sehen.«
Liz schwieg. Sie konzentrierte sich auf den Weg. Die Straße war nie gleich breit. Mal hatten sie genügend Platz, dann wieder wuchsen die beiden Seiten zusammen, sodass es ziemlich eng wurde. Trotzdem kamen sie gut voran, denn sie mussten um diese Zeit nicht mit Gegenverkehr rechnen. Vor ihnen blieb es dunkel. Kein Scheinwerferpaar strahlte ihnen entgegen. Überhaupt waren sie weit davon entfernt, irgendwelche Lichter zu sehen.
Bis sie ein Waldstück durchfahren hatten und sich zu den Seiten der Fahrbahn große, leere Flächen ausbreiteten, Wiesen mit kleinen Hängen, die allerdings nicht hoch waren, sodass ihnen die Sicht nicht genommen wurde.
»Salem«, sagte Abigail und deutete mit der linken Hand gegen die Scheibe.
Liz nickte. Sie sah einige wenige Lichter. Ansonsten lag der Ort mit dem geschichtsträchtigen Namen eingepackt in eine dunkle Watte. Liz merkte auch die Gänsehaut auf ihrem Rücken. Es lag nicht an einer Angst oder Furcht, es war einzig und allein die Spannung, die sie erfasst hielt. Dieses Gefühl kam einfach auf, als sie sich dem Ziel näherten. Sie wusste, dass ihr Leben noch einmal eine Wendung erfahren würde, um dann in bestimmten Gleisen weiterzulaufen.
»Sollen wir hineinfahren und an einem bestimmten Punkt anhalten?«
»Nicht ganz, Schätzchen.«
»Wieso? Was meinst du damit?« Liz war etwas durcheinander.
»Es ist leicht. Ich sage dir, wohin du fahren musst. SIE hat mir das Ziel genannt.«
»Umso besser. Und wo ist es?«
»Wir müssen das Haus finden.«
»Was für ein Haus?«
»Eine Hütte.«
»Und dann?«
»Pst. Lass mich schauen.«
Liz fuhr noch langsamer. Am Rand der Straße erschienen die ersten Hinweise darauf, dass hier Menschen lebten. Es gab eine einsame Haltestelle, an der niemand stand, doch es waren auch Gehöfte zu erkennen, die man eher als Bruchbuden bezeichnen konnte.
»Halte mal an.«
»Willst du die Hütte suchen?«
»Genau.«
Wenig später stieg Abigail aus und verschwand in der Dunkelheit. Zurück im Auto blieb Liz. Sie nagte an ihrer Unterlippe. Sie hatte die Stirn in Falten gelegt.
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