Hexenbräute
es...«
***
Zeit – was war Zeit?
Bisher hatte sie das Leben der Liz Salem bestimmt. Wie unzählige andere Menschen auf der Welt war auch sie im Zeitkanal gefangen gewesen. Aber sie hatte es verstanden, ihr Gefühl dafür auszulöschen. Sie war sich zeitlos vorgekommen. In der Dunkelheit war alles anders geworden. Sie hatte sich nur auf das konzentriert, was mit ihr geschah, und das war wunderbar gewesen.
Für beide Frauen...
Sie hatten sich geliebt. Sie waren verschmolzen.
Sie gehörten zusammen. In der Dunkelheit waren sie das Leben gewesen. Sie hatten gestöhnt und geflüstert, als sie sich einander hingegeben hatten.
Hände und Lippen gingen auf Wanderschaft. Es gab keinen Flecken an ihren Körpern, der nicht erobert wurde, und zum Schluss waren sie beide zum Höhepunkt gekommen und hatten ihre wilde Lust hinausgeschrien.
Und jetzt?
Liz lag auf dem Bauch. Nein, nicht ganz. Sie kniete mehr, aber sie hatte sich durch die angezogenen Beine sehr klein gemacht. Ihr Gesicht lag in Handflächen, deren Rücken den kalten Boden berührten. Doch von einer Kälte hatten beide nichts bemerkt.
Es war der Himmel gewesen. Der Himmel in der Dunkelheit der Leichenhalle.
An der rechten Seite spürte sie den Druck des anderen Körpers. Abigail berührte sie mit den Beinen. Durch Tasten hatte Liz erfahren, dass sie im Lotossitz direkt neben ihr saß. Ihre Hände hatte Abigail auf Liz’ nackten Rücken gelegt.
Manchmal durchlief ein Zittern den Körper der dunkelhaarigen Frau. Es lag nicht an der Kälte. Mehr an der Erinnerung an das Erlebte. Es kam Liz vor wie ein Traum, doch es war die Wirklichkeit. Daran gab es nichts zu rütteln.
Die Hände hatten lange genug still gelegen. Abigail bewegte sie. Jetzt fingen sie an zu streicheln. Sanft fuhren sie über den Rücken der Nackten hinweg, und Liz genoss diese Bewegungen. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sie sicherlich geschnurrt. Sie war keine, sie war ein Mensch, aber auch der konnte sein Wohlbefinden ausdrücken, sodass die Geräusche, die aus dem Mund der Liz Salem drangen, sich ähnlich anhörten wie das Schnurren einer Katze.
»Geht es dir gut, Liz?«
Die Stimme der Freundin drang nur langsam in ihr Bewusstsein. »Ja«, sagte sie leise, »es geht mir gut. Ich fühle mich wunderbar. Endlich bin ich neugeboren worden.«
»So war es vorgesehen.« Abigail hörte nicht damit auf, den nackten Rücken zu streicheln. Sie waren jetzt bereit für den Segen ihrer großen Beschützerin. Für diejenige Person, die schon vor mehr als 2000 Jahren in den Mythen und Legenden der alten Völker verehrt worden war und die es noch immer gab, denn der alte Mythos war längst nicht ausgestorben und vergessen.
»Bitte, hör nicht auf, Abi... bitte nicht.«
»Keine Sorge, aber es geht weiter.«
»Was folgt?«, fragte Liz wie eine schlaftrunkene Person.
»Sie wird kommen.«
»Wann?«
»Das weiß ich nicht, aber wir werden es spüren. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ja, ich warte...«
Abigail streichelte die weiche Haut noch eine Weile. Bis sie ihre Hände unter den Körper der Freundin legte und Liz in die Höhe zog.
»Es war so wunderbar, Abi.«
»Ja, aber jetzt küss mich...«
Nichts, was Liz lieber getan hätte. Und Abigail hatte darauf gewartet. Wieder waren die Körper miteinander verschlungen. Wieder stieg die Leidenschaft in ihnen hoch und drohte sie zu übermannen.
Beide saßen längst nicht mehr. Sie wälzten sich über den Boden, abermals ineinander verschlungen, bis plötzlich das Gelächter ihre Ohren traf. Es war so laut ausgestoßen worden, dass es für einen Riss in der Gefühlswelt der Frauen sorgte.
Abigail schob den Körper ihrer Freundin zur Seite und richtete sich auf. Liz stand noch zu sehr unter dem Eindruck des Erlebten und blieb wie ermattet liegen.
»Hast du es gehört, Liz?«
»Ja«, murmelte sie träge.
»Sie ist da.«
»Wer?«
»Das weißt du. Unsere Meisterin. Sie hat ihre Welt verlassen und ist nun bei uns.«
Es waren genau die richtigen Worte für Liz. Jetzt wurde sie aus ihrem Zustand hervorgerissen. Sie blieb auch nicht mehr liegen und ließ sich von ihrer Freundin in die Höhe ziehen. Mit einer schlappen Bewegung schob Liz die dunklen Haare aus ihrem Gesicht. Dann drückte sie ihren Kopf gegen die Schulter der neuen Freundin und wartete darauf, dass etwas geschah.
Bisher hatten sie nur die Stimme gehört. Und sie auch nur als ein Lachen. Wo war sie? Wann zeigte sie sich?
»Bitte, Abi, ich möchte...«
»Nichts möchtest du
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