Hexenbräute
mitgebracht hatten, wollte mir nicht in den Kopf. Es erinnerte mich etwas an die Hinrichtungsschauen im Mittelalter.
Jetzt standen sie vor mir. Jane Collins sah ich auch. Sie hatte sich an der Seite hingestellt und beobachtete die Menschen, die sich allesamt still verhielten.
Es konnte sein, dass sie nachdachten, doch ich sah keine Regung bei ihnen, die auf eine Lösung hingedeutet hätte. Sie wirkten wie versteinert, aber nicht nachdenklich, sondern eher, als hätten sie gemeinsam eine gewaltige Enttäuschung erlebt.
Ich blickte in ihre Augen – und stutzte!
Ja, ich hatte mich nicht geirrt. Sie alle hatten den gleichen Ausdruck. Wobei ich überlegte, ob man hier überhaupt von einem Ausdruck sprechen konnte.
Das war kein Ausdruck. Das war eine Leere und zugleich ein Stumpfsinn. Egal, ob es sich dabei um einen Mann, eine Frau oder ein Kind handelte. Alle besaßen diesen Blick. So konnte man sich verzauberte Menschen vorstellen – oder verhexte!
Der Begriff kam mir nicht von ungefähr in den Sinn. Ja, sie waren verhext worden. Es gab hier im Ort zwei fremde Frauen, die wir als Hexen ansahen, und nun hatten wir den Beweis erhalten. Nicht nur sie waren verhext, sondern den Pfarrer hatte es erwischt. So ging ich davon aus, dass Liz Salem und Abigail Miller verdammt stark waren.
Feinde waren es nicht. Sie machten keinen aggressiven Eindruck. Wenn sie eine gewisse Aggressivität zeigten, dann war diese eher gegen sich selbst gerichtet. Das hatte ich beim Pfarrer erlebt.
Ich wollte trotzdem einen bestimmten Test durchführen. Es war bekannt, dass sich Hexen nicht eben über den Anblick des Kreuzes freuten. Und ich war gespannt darauf, wie die Menschen hier reagierten, wenn sie mein Kreuz sahen.
Wie ein Redner, der nach seinem Text sucht und deshalb nichts zustande bringt, stand ich vor ihnen. Nun hatte ich gefunden, was ich wollte und streifte mir zunächst die Kette über den Kopf, bevor das Kreuz sichtbar wurde.
Ich wollte den Moment der Überraschung noch hinauszögern und deckte es deshalb mit der Handfläche ab.
Die Menschen hatten sich nicht verändert. Eigeninitiative besaßen sie nicht mehr. Sie waren magisch gedopt worden und warteten darauf, dass ihnen jemand Befehle gab.
Von mir bekamen sie die nicht.
Ich zeigte ihnen nur mein Kreuz!
Es mochte Zufall sein, dass sich genau in diesem Moment ein Sonnenstrahl durch das Blätterwerk der Bäume schob und direkt mein Kreuz erwischte, sodass es aufleuchtete. Da sprang der silberne Funke plötzlich über, und das von mir zu ihnen.
Schreie!
Zuerst nur vereinzelt. Dann lauter. Es waren die Frauen, die sich als Erste abwandten. Sie rannten weg. Die Männer standen noch einen Moment länger, doch auch sie befanden sich bereits auf dem Rückzug. Sie gingen rückwärts, die Arme schützend vor die Augen gedrückt, um nur nicht das Kreuz sehen zu müssen.
Dann rannten auch sie.
Es machte keinen Sinn, wenn ich die Verfolgung aufnahm. Sie würden sich in ihren Wohnungen und Häusern verkriechen und dort erst mal bleiben. Sie mussten sich wieder sammeln und würden sich sicherlich unter dem Bann der Hexen etwas anderes ausdenken.
Aber unsere Gegnerinnen wussten auch, dass sie es nicht mehr so leicht haben würden. Den Pfarrer, den sie als ihren Erzfeind ansahen, wollten sie zuerst aus dem Weg räumen. Es war ihnen nicht gelungen, und ich hoffte, dass sie sich jetzt an uns wenden würden, denn wir waren ihre eigentlichen Feinde.
Auch Jane Collins hatte die Menschen laufen lassen. Sie schaute ihnen noch nach, sah, dass sie sich verteilten, und kam zu mir.
»Liz und Abigail haben bereits ihre Zeichen gesetzt. Ich hatte es mir beinahe gedacht.«
»Leider.« Ich zuckte die Achseln. »Man kann nicht immer rechtzeitig genug kommen.«
»Willst du sie jetzt suchen, John?«
»Wo? Wo sollen wir anfangen? Ich bezweifle, dass wir sie großartig suchen müssen. Ich schätze eher, dass sie uns schon bald über den Weg laufen. Sie wollen den Ort hier beherrschen. Da können sie sich keine Feinde erlauben.«
Jane deutete auf den Pfarrer. »Mal hören, was er uns zu sagen hat. Bestimmt hat er sie genauer gesehen.«
Der Geistliche befand sich noch bei Suko. Er saß auf dem Boden. Mein Kreuz zeigte ich ihm noch nicht. Suko stützte ihn am Rücken ab. Der Pfarrer massierte seinen Hals. Mit der Atmung hatte er noch immer Probleme.
Über ihn hinweg nickte mir mein Freund zu. Für ihn war alles in Ordnung. Das beruhigte auch mich einigermaßen.
Erst jetzt sah ich mir den Mann
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