Hexenbräute
genauer an. Die blasse Farbe des Gesichts war teilweise verschwunden. Der Mann war für seinen Beruf noch jung. Anfang 30. Er hatte ein schmales Gesicht mit einer recht spitzen Nase. Sein Haar war dunkelblond und gescheitelt.
An seinem Hals waren rote, zum Teil blutige Striemen zu sehen.
Er wusste wohl, dass ich mit ihm sprechen wollte, und zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nichts«, flüsterte er, »ich weiß nicht, was hier passiert ist.«
»Können Sie sich wirklich an nichts erinnern?«, fragte Jane.
»Nur spärlich, glaube ich.«
»Wo wohnen Sie?«
»Hinter der Kirche.«
»Ich denke, es ist besser, wenn wir zu Ihnen gehen.«
»Ja, wie Sie wollen.«
Suko half ihm hoch. Er stützte den Mann auch ab, als wir uns mit kleinen Schritten auf den Weg machten. Wir erfuhren, dass er Efrin Mardy hieß und die kleine Gemeinde seit zehn Monaten betreute.
Als wir sein Haus erreichten, blieben wir stehen. Vom Mauerwerk war kaum etwas zu sehen. Efeu und andere Kletterpflanzen hatten sich ausgebreitet und es fast völlig eingenommen. Der Begriff Hütte hätte besser gepasst, aber für eine Person reichte das Haus aus.
Suko führte ihn eine schmale Treppe zu der nicht abgeschlossenen Eingangstür hoch.
Ich wollte den beiden folgen, aber Jane Collins hielt mich am Arm fest. »Moment noch, John.«
»Was ist denn?«
»Ich gehe nicht mit hinein.«
»Warum nicht?«
Sie lachte, als sie meine zusammengekniffenen Augen sah. »Jetzt sei nicht misstrauisch, aber ich möchte draußen bleiben und mich ein wenig umschauen. Es kann sein, dass es mir gelingt, sie aufzuspüren. Du kennst ja meine Kräfte.«
»Und was ist dann?«
Sie lächelte mich so entwaffnend an, dass ich ihr schon nicht glaubte. »Dann sage ich euch Bescheid.«
Davon war ich nicht überzeugt. Ich kannte Jane’s Eigensinn. Wenn sie einmal etwas herausgefunden hatte, ging sie gern auf eigene Faust los, und das gefiel mir nicht.
Sie boxte mir leicht gegen die Schulter. »Ich weiß, was du jetzt denkst. Aber so ist das nicht. Ich werde schon nicht allein gegen sie kämpfen. Das ist mir viel zu gefährlich.«
»Du hast schon mal besser gelogen.«
»Bitte, John.«
»Okay, dann schau dich um. Aber halte verflucht gut die Augen offen. Das rate ich dir.«
»Keine Sorge.« Sie warf mir eine Kusshand zu und verschwand. Gern ließ ich sie nicht gehen. Als ich mich drehte, um die Treppe hochzugehen, stand Suko in der offenen Tür. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht.
»Was gibt es?«
»Das solltest du dir selbst ansehen.«
Wenig später stand ich mit Suko zusammen in einem winzigen Flur. Hinter der offenen Tür lag ein größerer Raum, in dem mir zuerst der alte Ofen mit dem langen, bis fast an die Decke heranreichenden Rohr auffiel. Da die Pflanzen teilweise bis über die Scheiben hinweggewachsen waren, lag der Raum in schummrigem Halbdunkel. Trotzdem fiel mir die Unordnung auf, die hier herrschte. Allerdings bezog sie sich nur auf bestimmte Gegenstände, und die hatten alle mit dem Beruf des Pfarrers zu tun.
Ein Holzkreuz lag leicht angebrochen auf dem Boden. Unter dem Tisch schaute eine Bibel hervor, deren Seiten zerrissen und zerfetzt waren. Ein Steinbecken war von der Wand entfernt worden. Es lag jetzt am Boden, in einer Lache aus Wasser. Ich ging davon aus, dass es sich um Weihwasser handelte.
Als ich auf den Tisch zuging, an dem der Pfarrer ein Glas Wasser langsam leer trank, wäre ich beinahe auf den Perlen eines zerstörten Rosenkranzes ausgerutscht. Efrin Mardy hatte alles zerstört, was an seine Religion erinnerte. Die Hexen mussten ihn verdammt stark unter ihrer Kontrolle gehabt haben.
Suko warf mir einen bezeichnenden Blick zu. Ich fegte mit dem rechten Fuß einige Perlen zur Seite, die unter einen alten Holzschrank rollten, und nahm auf einem Schemel Platz. So saß ich dem Pfarrer gegenüber. Suko hatte sich neben das Fenster gestellt und lehnte an der Wand.
»Wo bleibt denn Jane?«
Ich winkte ab. »Sie wollte sich umschauen und nach einer Spur suchen.«
»Hoffentlich macht sie keinen Fehler.«
»Du kennst sie doch.«
»Eben.«
Efrin Mardy hatte sein Glas leer getrunken und stellte es zurück auf die braune Tischplatte. Wir hatten zwar sein Leben gerettet, doch es war fraglich, ob wir ihn von dem alten Bann hatten befreien können. Sehr groß war mein Optimismus nicht.
Wir blickten uns in die Augen. Bei den Lichtverhältnissen war es für mich schwer, den Ausdruck darin zu erkennen. Ich wusste auch nicht, wie er sich verhalten
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