Hexenbrand
auch weiterhin in ihrer Nähe, ohne etwas zu sagen. Es gab nichts mehr zu reden. Sie würde mir auch keine Antwort geben, und ich drehte mich langsam zur Seite, weil ich von der Tür her ein Geräusch gehört hatte.
Suko kehrte zurück.
Eine Frage brauchte ich nicht erst zu stellen, als ich sah, dass er den Kopf schüttelte.
»Er ist dir entkommen.«
»Ja.«
»Und weiter?«
»Ich hätte ihn gern gefasst, aber er war zu schnell und sein Vorsprung war zu groß.«
»Wirklich?« Ich zweifelte etwas, denn ich kannte Suko und wusste, wie schnell er sein konnte.
»Unser Pech, John, er war plötzlich nicht mehr da. Aber das kennen wir ja.«
»Leider.«
Suko ging an mir vorbei und blieb neben dem Rest stehen, der mal ein Mensch gewesen war. Eine Frau – und eine Hexe, wie wir inzwischen wussten.
Das Feuer war brutal gewesen. Es hatte die Frau in einen schwarzen Klumpen verwandelt.
Natürlich war auch die Kleidung verbrannt. Was vor uns lag, das waren schwarze Knochen, bei denen die Haut verbrannt oder verdampft war. Und das Gesicht?
Auch das gab es nicht mehr. Selbst die Augen waren verbrannt, und der Schädel sah schwarz aus.
Ich stieß einen leisen Fluch aus. Die Frau hätte uns sicherlich mehr sagen können, aber in einem lagen wir richtig.
Diese Baustelle war zugleich eine Spur. Grace Russell hatte die Prospekte nicht nur aus Spaß in ihrer Wohnung liegen gehabt. Sie hatten schon etwas zu bedeuten.
Suko deutete auf die Leiche. »Sie war da und er wusste das. Warum hat sie sich gerade diesen Ort ausgesucht? Kannst du mir das sagen?«
»Nicht im Moment. Aber es muss ein besonderer Platz sein, an dem wir hier stehen.«
»Für die Hexen«, sagte Suko.
»Ja. Und dann müssen wir uns fragen, wer dazugehört. Ich denke nicht, dass die Tote eine Einzelgängerin gewesen ist. Sie muss einen Auftrag gehabt haben.«
»Von wem denn?«
»Assunga, denke ich.«
»Warum denkst du so? Welche Rolle sollte sie spielen?«
»So eine Art von Joker.« Ich winkte ab. »Ich weiß auch nicht. Es läuft an uns vorbei. Vielleicht hätten wir gar nicht bemerkt, dass jemand aus dem Fegefeuer zurückgekommen ist. Es ist aber doch passiert, und jetzt haben wir den Salat. Auf der einen Seite stehen die Hexen und auf der anderen deren Todfeind, dieser Henker, der uralt ist und eigentlich gar nicht mehr leben dürfte. Der aber trotzdem hier ist und jetzt dafür sorgt, dass die neuen Hexen getötet werden.«
»Das wird Assunga nicht zulassen«, sagte Suko.
»Abwarten. Der Henker ist nicht ohne. Ich denke, dass er der Schattenhexe Paroli bieten kann.«
»Ja, und dann hat er es noch mit Justine Cavallo zu tun, die bei Assunga lebt.«
»Kann sein.«
Suko nickte. »Und da ist noch etwas. Ich nehme an, dass die Schattenhexe erfährt, was man ihren Dienerinnen angetan hat.«
»Möglich.«
Sukos Antwort bestand aus einem Flüstern. »Sie wird Rache nehmen, und das nicht zu knapp.«
»Mal schauen.«
Bisher hatten wir sie nicht gesehen. Das hatte aber nichts zu sagen. Sie konnte urplötzlich auftauchen und war dann von einem Augenblick zum anderen da.
»Was machen wir mit der Toten?«
»Abholen lassen«, sagte ich.
»Ja, schon …«
Mir gefiel Sukos Bemerkung nicht. »Bist du denn dagegen?«
»Im Prinzip nicht. Ich denke nur über diese Baustelle nach. Sie muss für die Hexen wichtig sein. Warum? Und würde Assunga sie aufgeben?«
»Was meinst du?«
Suko breitete die Arme aus und klatschte danach die Handflächen zusammen. »Ich setze nach wie vor auf diese Tiefgarage.«
»Warum?«
»Sie liegt einsam. Sie ist groß, und deshalb ist sie auch ein guter Treffpunkt. Hier können sich schon einige Leute verstecken und haben noch den Vorteil einer stillgelegten Baustelle.«
»Ja, das kann alles sein«, gab ich zu.
Suko sagte dann: »Wir können die Reste der Toten zur Seite schaffen. Was meinst du?«
»Ja, ich habe nichts dagegen. Wenn wir die Kollegen rufen, gibt es zu viel Rummel und Aufsehen.«
Es war keine normale Leiche, die man anheben und wegtransportieren konnte. Deshalb ließen wir sie auch dort liegen. Wenn hier Besucher erschienen, dann sollten sie wenigstens wissen, was sie unter Umständen erwartete.
Etwas war zu hören. Ein Geräusch hinter der Tür, das uns aufschreckte. Sofort hielten wir unsere Waffen in den Händen und drehten uns der Tür zu.
Sie schwang noch nicht auf. Aber sie zitterte, und es war klar, dass jemand dicht hinter ihr stand.
Dann wurde sie aufgestoßen. Das hatte eine Frau getan, die sofort
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