Hexenfluch: Roman (German Edition)
»Nie wieder. Und dabei bist du noch nicht einmal schwarz.« Energisch stopfte sie den letzten Rest blaues Küchenpapier in den Müllbeutel, den Ella ihr hinhielt. »Heißt sie wirklich Sushi?«
Ella nickte – und wies auf einen besonders tiefen Kratzer an J. J.s Arm. »Wenn du weitermalern willst, sollte man über den wenigstens ein Pflaster kleben. – Ich hole meine Tasche.« Sushi war noch vor ihr aus der Küche, kaum, dass sie die Tür zu Korridor und Wohnzimmer wieder geöffnet hatte.
Wie sich herausstellte, hatte Sushi sowohl bei Ella als auch bei J. J. einigen Schaden angerichtet. Bis alle größeren und kleineren Schrammen gesäubert und desinfiziert waren, wusste Ella, dass J. J. für ›Josephine Jaylee‹ stand, sie ein Jurastudium abgebrochen hatte und die Miete für das Haus von Mrs. Lindberg vorerst aus einer kleinen Erbschaft finanzierte, bis sie irgendwo einen Job gefunden hatte. Und dass sie eine ›Hexe‹ war: »Also Magie, Kartenlegen, Zaubertränke und solche Sachen …«, oder zumindest glaubte, eine zu sein. Denn das, was sie Ella über ihre ›Gabe‹ erzählte, war nach allem, was sie von Christian wusste, bodenloser Unsinn. Was bedeutete, dass sie verhindern musste, dass Christian und J. J. einander jemals begegneten. Denn wenn Christian auf etwas allergisch reagierte, dann waren das »Möchtegern-Hexer und -Hexen, die zwar keinen Funken weit über die Gabe verfügen, es in ihrer bodenlosen Ignoranz aber trotzdem irgendwie schaffen, an Mächte und Dinge zu rühren, von denen jeder echte Hexer mit nur einem Quentchen Verstand um jeden Preis die Finger lässt«. Und wenn sie sich etwas nicht vorstellen mochte, dann, wie Christian und ihre neue Nachbarin sich – am Ende hier in ihrer Küche – irgendwelche wütenden Diskussionen über Magie lieferten. Trotzdem mochte sie J. J. auf Anhieb. Auch wenn sie den Teufel tun und ihr erzählen würde, dass auch sie eine Hexe – genau genommen eine Heilerin – war.
25
Ich hab Apfelkuch- … Wow.« Das Blech, das bis eben vor Ella auf Augenhöhe geschwebt hatte, sank herab und zur Seite. Darüber hinweg starrte J. J. sie eine geschlagene Sekunde lang an, ließ den Blick an ihr auf und ab wandern, wiederholte noch einmal: »Wow.«
»›Desaster‹ trifft es besser.« Ella öffnete die Tür ein Stück weiter, um ihre neue Nachbarin hereinzulassen. Nachbarin? Wenn man es genau nahm, hatte J. J. sich binnen kürzester Zeit zu etwas wie einer Freundin entwickelt. Die offenbar immer wieder in eine Art Backwut verfiel und dann angesichts all der Kalorien darauf bestand, das Ergebnis mit Ella zu teilen. Inzwischen freuten sich die Schwestern auf ihrer Station immer öfter über Kuchenspenden, weil Ella beim besten Willen die Nachschubmengen nicht bewältigen konnte. Bei denen Christian auch keine besonders große Hilfe war – weil er keinen Kuchen mochte. Zumindest nicht in diesen Massen.
»Wieso Desaster?« J. J. stellte das Blech auf den Küchentisch. Wortlos drehte Ella sich um und hörte J. J. hinter sich Luft holen. »Wie ist das denn passiert?«
»Ich hatte es in der Reinigung.« Und so hatte sie ihr langes, schwarzes Abendkleid zurückbekommen: Eine der beiden Rückennähte, die neben dem Reißverschluss dafür sorgten, dass es eng anlag, war aufgerissen, der Stoff ausgefranst.
»Lass mich raten: Es ist dir erst aufgefallen, als du es angezogen hast?« Ella hörte, wie J. J. herankam, um den Schaden näher zu begutachten.
»Ja.«
»Oh, das kenne ich.« Ein kleiner Ruck an der Rissseite. »Theoretisch lässt sich das nähen, aber dann müsste man an der anderen Seite auch ein wenig wegnehmen, damit es wieder gleich ist.«
»Du kannst nähen?« Sie drehte sich zu J. J. um.
Die zwinkerte ihr lachend zu. »Ich habe viele verborgene Talente, Süße. – Allerdings kann es sein, dass das Kleid dann ziemlich eng wird.«
Das Kleid saß jetzt schon enger, als ihr lieb war. Mit einem Seufzen drehte Ella J. J. den Rücken zu. »Machst du mir mal bitte den Reißverschluss auf?«
»Bis wann brauchst du es denn?« Das leise Zippen ging in J. J.s Frage unter.
»Morgen Abend.« Christian hatte ihr für den Wohltätigkeitsempfang endgültig abgesagt.
J. J. trat wieder zurück. »Wie ist es mit noch mal shoppen gehen?«
»Klappt nicht mehr. Ich hab morgen absolut keine Zeit mehr dafür.« Auf ihrem Plan standen drei OPs. Bei zweien war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie länger dauern würden als normalerweise. Und
Weitere Kostenlose Bücher