Hexenfluch: Roman (German Edition)
auftauchte. Kristen hob eine Braue, ging auf sie zu. In jenem geschmeidigen, trägen Gang, den er sich angewöhnt hatte, wenn er mit einer von ihnen ›spielen‹ musste. Langsam. Bevor sie weiter hier eindringen konnte. Wie war sie überhaupt durch die Tür gekommen? Schritt um Schritt. Das Handtuch entspannt an der Seite. Ohne etwas zu sagen. Ihre Augen zuckten über ihn. Folgten den Linien des Bannfluchs, über Brust, Schulter, den linken Arm, abwärts, Bauch, Hüfte, Flanke, den rechten Oberschenkel. Und huschten immer wieder zwischen seine Beine. Sie stolperte rückwärts, als er sie erreichte. Weil er ihr keine andere Wahl ließ, einfach weiterging. Die Stufen hinunter. Tritt für Tritt. Ihr Lächeln wurde unsicher. Trotzdem wagte sie es, ihm die Hand auf die Brust zu legen. Über seine Brustwarze zu streichen. Den Linien seiner Muskeln zu folgen. Zurück zu seiner Brustwarze. Träge verzog er den Mund. Noch immer wortlos. Elendes kleines Miststück. Die letzte Stufe. Damit waren sie auf gleicher Höhe. Das Einzige, was jetzt noch zwischen ihnen war, war ihre Hand und dieser Witz von einem Kleidungsstück. Kristen ließ einen Hauch seiner Magie unter den Stoff ihrer Robe gleiten. Sie keuchte auf. Ihre Fingernägel kratzten über seine Haut. Er ging weiter. Dirigierte sie, dahin, wo er sie haben wollte. Mit jedem Schritt ein bisschen mehr. Ohne dass sie es merkte. Sah ihr in die Augen. Die ganze Zeit. Ein Hauch mehr Magie. Das Keuchen wurde zu einem Wimmern. Dummes Stück. Sie öffnete die Lippen, als er den Kopf ein klein wenig senkte, sich zu ihr beugte. Mit den Fingerspitzen ihre Wange abwärtsstrich. Während er an ihr vorbeigriff, die Tür öffnete. Ein weiterer Schritt, noch einer. Sie wich weiter vor ihm zurück, hinaus auf den Flur. Eine Sekunde stützte er sich mit den Händen zu beiden Seiten gegen den Türrahmen. Lächelte sie an. Kalt. Arrogant. Grausam. Dann machte er einen Schritt rückwärts, schloss die Tür und weckte seine Magie endgültig. Während der Bannfluch die Krallen in ihn schlug, begann draußen das Kreischen. Kristen schaffte es nicht mehr bis zum Sofa, bevor der Schmerz ihm endgültig die Beine wegzog. Das Kreischen jenseits der Tür dauerte an, wurde zu einem Wimmern, verstummte schließlich ganz. Irgendwann. Ebenso wie die entsetzten Stimmen. Die Wut des Bannfluchs blieb. Lange.
Und sie kam zurück, nachdem sie erfahren hatte, was er mit der jungen Hexe getan hatte. Diesmal blieb der Schmerz noch länger.
23
Kristen machte einen Schritt zur Seite und wechselte beinah übergangslos in die Schatten hinein. Sofort war das Licht grau und trüb, die Menschen um ihn herum nur noch verschwommen, verwischte Schemen, für die er nicht mehr existierte. Die Sonne schien schlagartig jede Kraft verloren zu haben. Eine Gänsehaut kroch über seine Haut. Er ignorierte es. Das alles hier war für ihn so normal wie Atmen. Andere mussten sich da deutlich mehr anstrengen – sah man mal von Ella ab. – Aaron gehörte dazu.
Hatte dieser Trottel tatsächlich geglaubt, er würde es nicht merken, wenn er ihn verfolgte? Oder es zumindest versuchte. Jedes Mal, wenn er in der letzten Zeit den Havreux Tower verlassen hatte. Er hatte Aaron jedes Mal abgehängt. Und trotzdem so getan, als hätte er nichts davon bemerkt.
Lautlos wich er ein Stück weiter in den Mauerschatten zu seiner Linken zurück, beachtete das hastige Huschen und das Scharren von kleinen Krallen nicht, während er stattdessen einen Schatten heraufbeschwor und zugleich auf Aarons Schritte lauschte. Kein Stocken, kein Zögern. Für einen Schatten benötigte man so wenig Magie, dass Aaron selbst hier nicht spürte, dass Kristen ihn geschaffen hatte. Sogar der Bannfluch hatte sich kaum geregt. Sein Abbild setzte sich in Bewegung und Kristen tauchte noch weiter in die Dunkelheit ein. Wartete. Neben seiner Schulter floh etwas Haariges die Wand hinauf. Ansonsten blieb es still. Konnte man sich um diese Zeit vor dem Chinese Theatre am Hollywood Boulevard vor Menschen – oder besser Touristen – in der normalen Welt gewöhnlich kaum retten, war der Platz auf dieser Seite wie ausgestorben. Im Moment schien er das einzige größere ›Lebe‹wesen in der Nähe der halb eingestürzten, von Nässe und Moder durchzogenen und von Moos und anderen unfreundlichen Dingen überwachsenen Mauern zu sein.
Nur ein paar Sekunden später ging Aaron tatsächlich an seinem Versteck vorbei. Viel zu sehr darauf bedacht, ›Kristen‹ nicht aus den
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