Hexenfluch: Roman (German Edition)
Schwarz. Er lauschte auf die Geräusche im Bad. Das Wasser rauschte nach wie vor. Gelegentlich unterbrochen von Mikahs Bewegungen. Er konnte nur hoffen, dass der Junge nicht versuchte, sich die Haut vollständig vom Leib zu schrubben. Besser ließ er ihm nicht zu viel Zeit. Das, was er wollte, war ganz hinten in diesem Schrank. Er musste einen Moment suchen, bis er die Sachen gefunden hatte: Flanellhemd, Jogginghose und Boxershorts. Das Unerotischste, was es in seinem Kleiderschrank gab. In der Dusche waren die Geräusche des Wassers zu einem gleichmäßigen Plätschern geworden. Kein gutes Zeichen.
Kristen ging ins Bad zurück. Eine Wolke heißer Dampf schlug ihm entgegen. Mikah kauerte in der Dusche auf den Knien, die Arme um sich geschlungen, direkt unter dem Wasserstrahl, die Haut krebsrot. Rücken, Arme und was er von den Beinen sehen konnte, waren voller blauer Flecke und Striemen, die Handgelenke und Knöchel blutig. Weil der Kleine sich gewehrt hatte. In letzter Sekunde unterdrückte Kristen den Fluch, legte die Kleider auf die Bank, griff so langsam er konnte über den Jungen hinweg nach dem Regler. Um ein Haar hätte er die Hand vor der Hitze zurückgezogen. Mit zusammengebissenen Zähnen drehte er das Wasser ab, nahm ein Handtuch und hängte es dem Kleinen über. »Ich habe dir frische Sachen hingelegt. Trockne dich ab, zieh dich an und dann komm nach nebenan.«
Er hob Mikahs Kleider vom Boden vor der Dusche auf und ließ den Jungen wieder allein. Die Hälfte seiner Verletzungen müssten wenigstens desinfiziert werden. Aber das hätte im Moment zu viel Intimität bedeutet. Zum Glück lag es in der Natur der Wandler, dass Wunden sich bei ihnen nicht so leicht entzündeten. Und vergleichsweise rasch heilten.
Während er die Treppe hinunterstieg, lauschte er auf das, was aus der Dusche zu hören war. Nichts. Zumindest nichts, bei dem er sich Sorgen gemacht hätte.
Er platzierte die Kleider des Jungen in der Mitte des Kamins, holte das Brenngel und kippte einen guten Schwung davon darüber. Ein Geräusch auf der Galerie ließ ihn sich umdrehen. Mikah stand am Geländer. Hemd und Hose waren ihm zu groß, deshalb hatte er Hosenbeine und Ärmel aufgekrempelt. Am rechten Knöchel trug er einen schwarzen Ring. Er hatte sich schon gefragt, wie sie verhinderte, dass der kleine Wolf ihr davonlief.
»Willst du, oder soll ich?« Beiläufig wies Kristen zum Kamin, als sei es das Normalste der Welt, Kleider zu verbrennen.
Ein Sekunde schien Mikah irritiert. »Da drin?«
Kristen schnaubte. »Was meinst du, wofür das Ding da ist? Weil die Nächte in L.A. so kalt sind?« Er nahm die Schachtel mit den langen Zündhölzern vom Marmorrand, holte eines heraus und hielt es dem Jungen hin, den Kopf fragend geneigt. Mikah setzte sich in Bewegung. Seine bloßen Füße verursachten kaum ein Geräusch auf den Stufen. Wasser lief ihm aus den Haaren. Die Schrammen und Blutergüsse waren endgültig nicht mehr zu übersehen. Kristen sagte nichts. Sandrini bewohnte eine Villa in den Hills. Mit dem Auto eine knappe Dreiviertelstunde entfernt. Als Mikah ihn erreichte, gab er ihm das Zündholz und die Schachtel. »Vorsicht.«
Gleich darauf brüllten die Flammen fast bis zum Abzug hinauf. Wieder hatte der Kleine die Arme um sich geschlungen. Die Art, wie er dastand, erinnerte Kristen an einen Schilfkolben im Sturm. Schwankend. Hilflos. Seine Augen hingen an den Flammen, die seine Kleider nach und nach verschlangen. Kristen konnte sehen, wie die Leere allmählich in sie zurückkehrte.
»Du kannst heute hier schlafen.«
Mikah riss den Blick mit einiger Verzögerung von den Feuerzungen los. Doch anstatt auf Kristen liegen zu bleiben, wanderten seine Augen weiter, zu der Fensterfront hinter ihm. Schorf klebte in seinem Mundwinkel.
»Vergiss es!« Kristen vertrat ihm die Sicht auf den Dachgarten und die gähnende Tiefe dahinter. »Die sind zu.«
Das Stirnrunzeln des Jungen hatte etwas Aufsässiges. »Das ist Glas. Man kann es einschlagen.«
In der Imitation einer wölfischen Warnung hob Kristen die Oberlippe. »Du glaubst ja wohl nicht ernsthaft, dass ich nicht Mittel und Wege kenne, dafür zu sorgen, dass man es nicht einschlagen kann.« Was durchaus der Wahrheit entsprach. Nur im Bezug auf diese Glasfront glatt gelogen war. »Du hast die Wahl zwischen hier unten …«, er nickte zu dem Ledersofa hin, »… und oben in meinem Bett.« Die plötzliche Panik in Mikahs Blick entlockte Kristen ein Knurren. »Weder hier auf dem Sofa noch
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