Hexengericht
wandte sich an Constance. »Wo liegt der Fluchtweg, von dem Ihr gesprochen habt?«
Constance zeigte Richtung Süden. »An der Stadtmauer liegt eine Zisterne. Im Schacht ist eine Öffnung. Ihr kriecht hindurch und gelangt so auf die andere Seite.«
In diesem Augenblick sah Raphael Jeanne und Pierre kommen. An Jeannes Seite der schwarze Giacomo. Raphael überlegte. »Was machen wir mit dem Pferd?«
Nachdenklich beobachtete Raphael, wie Luna die Treppe hinterstürzte und den Hengst mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. »Kümmern wir uns darum, wenn der Zeitpunkt gekommen ist«, sagte er nur.
Sie stiegen vom Turm. Raphael und Amicus bedienten die Winden. Rasselnd bewegte sich die Zugbrücke Stück um Stück nach unten. Die Männer gingen voran. Nachdem sie die Umgebung der Brücke abgesucht hatten, folgten die Frauen mit Giacomo.
Das Ödland zwischen der Burgmauer und den ersten Häusern von Limousis überwanden sie zügig. Im Inneren der Stadt legten sie eine kurze Rast ein. In der Ferne war Hundegebell zu hören.
»Vor den Hunden müssen wir uns in Acht nehmen«, sagte Constance. »Sie sind über die Maßen blutgierig. Vater lässt sie nur alle zwei oder drei Tagen füttern.«
»Ein Vorteil für uns«, sagte Pierre. »Auf diese Weise hören wir die Patrouillen, bevor sie uns sehen.«
»Nicht alle Patrouillen führen Hunde mit«, warnte Constance.
»Wir werden vorsichtig sein«, sagte Raphael. »Ist es noch weit zu der Zisterne, Mademoiselle?«
»Durch die halbe Stadt.«
Damit das Klackern der Hufeisen sie nicht verriet, banden sie kurzerhand Wäschestücke, die sie von einer Leine stahlen, um Giacomos Füße. Vor die Tür der Bestohlenen legten sie eine Goldmünze.
Wenig später wichen sie einer Patrouille aus. In einer Gasse entdeckten sie einen Hundeführer und zwei Soldaten, die einen Garten durchstöberten. Auch diesmal hatten sie Glück.
Schließlich gelangten sie zu einer Kapelle. Die Freunde versammelten sich um Constance. »Auf der anderen Seite der Kapelle«, sagte sie, »liegt eine Gasse, die zur Stadtmauer führt. Von dort ist es nur noch ein Steinwurf bis zur Zisterne. Sobald wir sie erreichen, bleibt nicht viel Zeit, daher möchte ich mich jetzt von euch verabschieden.«
Raphael verneigte sich vor ihr. »Wir haben Euch zu danken, Mademoiselle. Ihr habt nicht nur unser Leben, sondern das von vielleicht tausenden von Menschen gerettet. Vergesst das niemals.«
»Genug davon«, sagte Constance verlegen. »Folgt mir.«
Sie führte die Freunde um die Kapelle herum und durch die Gasse. Von dort aus war es tatsächlich nicht mehr weit bis zur Zisterne.
Constance wiederholte: »Auf halber Höhe ist eine Öffnung. Mit den Füßen ist sie gut zu erspüren. Schacht und Fluchtweg sind breit genug für einen jeden von euch.«
»Ich gehe vor«, sagte Amicus. Er schwang sich über den Rand und zerrte zur Probe an dem Seil, das an einem Balken festgezurrt war. »Wir sehen uns in der Freiheit.« Dann hangelte er sich hinunter.
»Und was machen wir mit …«, wollte Jeanne gerade fragen, als Luna plötzlich aufschrie und die Gasse hinaufzeigte.
Mit einem Mal lag ein eisiger Hauch in der Luft. Keine zwanzig Schritte entfernt stand eine dunkle Gestalt. Die Umrisse und das im Mondschein glänzende Weiß des Habits waren unverkennbar: ein Dominikaner. Sein Gesicht war nicht zu erkennen. Die Gestalt, groß und hager, ähnelte Imbert.
»Eure Flucht findet hier ebenso wie euer Leben ein klägliches Ende«, sagte der Mönch.
»Bei Gott!«, flüsterte Pierre. Unwillkürlich ging er drei Schritte zurück.
»Wer bist du?«, rief Raphael.
Der Mönch lachte rau. »Du sollst deinen Henker kennen lernen. Mein Name ist Cumanus. Inquisitor der heiligen Mutter Kirche.«
Raphael überlegte fieberhaft. Henri le Brasse hatte offensichtlich zwei Mönche ausgesandt, um ihn töten zu lassen. Vermutlich gehörte auch Cumanus zu der ketzerischen Gemeinschaft. Cumanus kam langsam näher. Raphael musste Zeit gewinnen. Nur wie? »Bleib stehen, oder es ergeht dir wie Imbert!«, rief er.
Cumanus blieb tatsächlich stehen. »Was ist mit ihm geschehen?«
»Wir haben ihn getötet«, sagte Raphael. »Und anschließend haben wir das ketzerische Idolum aus seinem Arm geschnitten. Mit dir werden wir das Gleiche tun! Wir wissen längst, dass ihr und Henri le Brasse zu den Katharern gehört. Sobald der Heilige Stuhl davon erfährt, bekommt ihr eure gerechte Strafe.«
Cumanus ballte die Fäuste.
Raphael blickte in die schwarze
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