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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Öffnung der Zisterne. Das Seil bewegte sich noch, Amicus war also noch nicht im Fluchttunnel. Es blieb nicht mehr genug Zeit, dass alle durch den Schacht flüchten konnten. Was sollte er tun?
    Überraschend traf Constance eine Entscheidung. Sie ging auf Cumanus zu, der noch immer am selben Fleck stand. Sie sprach leise auf ihn ein, sodass Raphael kein Wort verstehen konnte.
    Als sie nur noch wenige Schritte von Cumanus entfernt war, bewegte sich dieser plötzlich. Erst nur langsam, dann immer schneller näherte er sich der Marquise. Zuerst schien es, als ginge er an Constance vorbei, ohne sie zu beachten. Doch unvermittelt zog er ein ungewöhnlich langes und breites Schwert unter seinem Skapulier hervor und schlug der Marquise in einer fließenden Bewegung den Kopf ab.
    Luna und Jeanne schrien auf. Es war entsetzlich. Einen Augenblick lang stand der enthauptete Leib noch aufrecht da, dann fiel er in sich zusammen. Der Kopf rollte auf Pierre zu und blieb vor seinen Füßen liegen. Kreidebleich starrte er in die leeren Augen. Cumanus achtete nicht weiter auf die Tote, sondern ging an ihr vorbei, sein eigentliches Ziel immer im Blick.
    Plötzlich ging ein Ruck durch Raphael. »Lauft!«, schrie er den Freunden zu. »So lauft doch!«
    Jeanne stieg auf Giacomo, zog Luna hoch und galoppierte los. Raphael und Pierre rannten hinterher. Keiner schaute zurück. Auch auf Patrouillen achteten sie nicht mehr. Es galt nur noch, vor Cumanus zu fliehen.
    Neben einem Patrizierhaus entdeckte Raphael einen Stall.
    Er blieb stehen und gab Pierre ein Zeichen.
    Gott sei Dank waren die Tore des Stalls nicht verschlossen. Sie stürmten hinein, orientierten sich kurz und griffen vier Zügel. Sie legten sie um vier kräftige Pferde und führten sie hinaus. Die Pferde blieben ruhig und ließen alles mit sich geschehen. Luna sprang von Giacomo, und Raphael half ihr auf den Rücken eines der Pferde. Dann sprangen er selbst und Pierre auf. Die Zügel des vierten Pferdes nahm Raphael in die Hand. »Weiter, nur weiter«, keuchte er.
    Am Ende der Gasse erreichten sie einen breiten, unbefestigten Weg. Raphael erkannte ihn sofort wieder. »Hier entlang!«, rief er. »Der Brunnen am Ende des Weges steht auf einem kleinen Platz, von dem die Straße zum Stadttor abzweigt.«
    Sie preschten den Weg hoch und bogen auf die Hauptstraße ein. Schon sahen sie das Tor, es war – verschlossen! Vier Wachen mit Hunden standen davor. Sie hatten die Fliehenden offenbar noch nicht bemerkt.
    Raphael lenkte sein Pferd hinter ein Haus.
    »Wie sollen wir das schaffen?«, fragte Luna.
    »Wäre nur Amicus hier«, sagte Pierre.
    Während Raphael noch grübelte, wie sie die Wachen ausschalten konnten, drang ein gellender Ruf durch die Nacht. Es war die Stimme von Amicus. »Heda!«, rief er. »Ihr Tölpel! Hier bin ich!«
    Die Wachen sahen einander an, wechselten ein paar Worte und öffneten das Tor.
    Jetzt zögerte Raphael nicht mehr. Er stürmte den anderen voran dem Tor entgegen. Auf halbem Wege jagte Giacomo an ihm vorbei. Die Wachen liefen durch das Tor und suchten die Umgebung ab. Offenbar hatten sie Amicus entdeckt, denn sie ließen die Hunde frei. Es waren Furcht erregende Geschöpfe, groß und kräftig wie Wölfe, mit spitzem Maul und mächtigen Zähnen. Bellend stoben sie davon.
    Jeanne erreichte als Erste das Tor und ritt an den verblüfften Soldaten vorbei. Die Männer hatten sich noch nicht von dem Schrecken erholt, als auch Raphael, Luna und Pierre an ihnen vorbeistürmten. Raphael sah, wie Amicus vor den Hunden zu fliehen versuchte. Kurz bevor ihre geifernden Fänge ihn erreichten, sprang er aus vollem Lauf auf Giacomos Rücken. Amicus war gerettet. Raphael atmete erleichtert durch.
    Ohne Pause ritten die Freunde bis zum Fuß der Berge und verbargen sich zwischen den zerklüfteten Felsen.
    Als der Morgen graute, erreichten sie eine Stelle zwischen zwei Anhöhen, von wo aus sie hinuntersehen konnten auf das erwachende Limousis. Von Cumanus oder den Soldaten Froissys war weit und breit nichts zu sehen.
    »Wohin ziehen wir jetzt?« Jeanne blickte zu Raphael.
    Dieses Mal wusste er die Antwort. »Nach Avignon«, sagte er.
    »Ihr habt wohl Fieber«, keuchte Amicus.
    »Mitnichten. Selten zuvor lag ein Ziel deutlicher vor meinen Augen.«
    »Warum Avignon?«, fragte Jeanne. »Die Stadt ist von der Pest heimgesucht.«
    »Luna ist dort krank geworden«, erinnerte Pierre. »Wer weiß, wen es dieses Mal trifft?«
    »Wir müssen in das Archiv des Heiligen Stuhls«,

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