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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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antwortete Luna an Raphaels Stelle. »Ich habe davon geträumt.«
    »In der Tat«, sagte Raphael. »Das geheime Archivum im Papstpalast ist der Ort, an dem wir Klarheit gewinnen werden. Wir haben herausgefunden, dass es sich bei dem Idolum um Asmodi handelt. Über diesen Dämon und die Vernichtung der Katharer muss der Heilige Stuhl Schriftstücke besitzen. Prozessakten, Verhandlungsprotokolle und Berichte finden wir nur dort. Ich bin überzeugt, dass wir in diesen geheimen Unterlagen den Schlüssel zu Henris geheimen Machenschaften suchen müssen.«
    »Und bevor du etwas einwenden willst, Amicus«, fuhr Luna dazwischen, »niemand wird sich die Pest holen.«
    »Das hast du geträumt?«, fragte Amicus.
    »Das habe ich.«
    Amicus grinste. »Dann kann uns ja nichts passieren.«
    Und während er durch das stete Schaukeln auf dem Pferderücken allmählich schläfrig wurde, dachte Raphael daran, dass sie einen weiteren Punkt auf Judas Landkarte des Schicksals hinter sich gelassen hatten. Was würde sie als Nächstes erwarten? Wo würde das Ziel wohl liegen?

Dritter Teil
Der Schatz der Katharer
Nur der Weg über den Himmel bleibt noch,
also werden wir es über den Himmel versuchen.
Ovidius, Ars amatoria 2. 37

Drei Rollen
    D ie Rückreise dauerte drei Monate. Sie nahmen nicht den direkten Weg, sondern verließen das Zentralmassiv im Norden bei Le Soulié, um Verfolger in eine falsche Richtung zu locken. Dann ritten sie östlich nach Mons, nördlich nach Bédarieux und südlich Richtung Küste über Gabian, Tourbes und Marseillan.
    In Pinet machten sie drei Tage Rast in verschiedenen Gasthäusern. Jeden Tag und jede Nacht durchstreiften sie die Gegend. Doch weder von Cumanus noch von Froissys Soldaten, von denen Raphael annahm, dass auch sie auf ihrer Fährte waren, gab es eine Spur.
    In Mireval, einem kleinen Fischerdorf, trafen sie einen Kaufmann auf der Durchreise nach Kastilien. Bei einem Glas Wein erzählte er ihnen, dass er erst kürzlich in Avignon gewesen war, die Stadt aber sofort wieder verlassen hatte. Der Teufel sollte dort wüten und jede Seele dem Irrsinn verfallen. Der Heilige Vater, sämtliche Bischöfe und Kardinäle mieden Avignon. Die übrigen Pfaffen und Mönche taten, was in ihrer Macht stand, um zu helfen. Doch auch sie konnten dem Tod nicht entrinnen. Die Hälfte der Einwohner war längst in den Himmel oder in die Hölle gefahren.
    Trotz dieses Berichts blieb Raphael bei seiner Entscheidung. Nur in Avignon konnte er hoffen, das Rätsel um Henri le Brasse zu lösen. Es gab keine andere Möglichkeit. Und nun, wo ihnen erneut die Inquisition im Nacken saß, galt es, Henri ein für alle Mal Einhalt zu gebieten. Oder sie waren alle verloren.
    Sie ritten an der Küste entlang um Montpellier herum und drangen, nun in der Provence angekommen, ins Hinterland vor.
    In Saint-Clément suchten sie einen Schneider auf. Zwei Tage später waren die ungewöhnlichen Kleider, die Raphael in Auftrag gegeben hatte, fertig. Er kehrte mit einem großen Bündel zurück. Auf die fragenden Blicke der Freunde reagierte er nur mit einem geheimnisvollen Lächeln.
    Dann endlich, am Morgen eines nassen und kalten Spätherbsttages, lag Avignon vor den Freunden.
    Zuerst fiel ihnen auf, dass keine Wachen an den Stadttoren postiert waren. Die Straßen, Gassen und Plätze waren verlassen, und überall lagen Tote. Von irgendwoher drang Glockengeläut zu ihnen herüber. Leichengeruch hing über der Stadt, wenn er auch bei weitem nicht mehr die erstickende Macht der Sommertage besaß.
    »Seht!«, sagte Jeanne und zeigte auf zwei Kinder – einen Knaben und ein Mädchen von etwa zehn Jahren – die von schwarzen Beulen übersät bei den verwesten Leibern ihrer Eltern hockten. Sie husteten Blut und schwarze Galle über ihre Lumpen.
    Amicus sprang vom Pferd und zückte ein Messer. »Ich erlöse sie von ihren Qualen«, sagte er.
    »Nein!«, rief Raphael. »Gott allein hat das Recht, diese Kinder zu sich zu rufen. Nicht Ihr, Amicus.«
    »Wie Ihr meint, Bruder«, entgegnete Amicus mit zusammengebissenen Zähnen. Er nahm die Zügel auf und führte sein Pferd neben den anderen her.
    Sie überquerten den Platz vor dem Papstpalast und ritten um den Palast herum. Raphael beobachtete die Umgebung, doch niemand war zu sehen. Er nahm die vier ledernen Bündel von seinem Sattel.
    Zum Vorschein kamen drei weiße Habite der Dominikaner samt schwarzen Skapulieren und Kukullen. In dem vierten Bündel waren drei Paar Sandalen und drei lederne Gürtel, an

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