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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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denen jeweils ein Rosenkranz hing. Daraufhin zog er Kleider und Schuhe aus und streifte nach vielen Monaten zum ersten Male seine Ordenstracht über. »Genug von dieser Maskerade«, sagte er. Und zu Amicus gewandt: »Sind Eure Messer scharf?«
    Amicus nickte. »Bei meiner Seel, Bruder.«
    »Dann befreit mich von dieser Haartracht und schneidet mir eine Tonsur, mein Freund.« Er kniete vor Amicus zu Boden, der sogleich mit seinem Werk begann.
    »Ich glaube nicht«, sagte Jeanne, »dass Ihr drei Kutten für Euch allein anfertigen ließet, Bruder.«
    »Mitnichten«, antwortete Raphael, während die ersten Haarbüschel vor seinen Augen herunterfielen. »Allein in das Archiv zu gehen könnte ungeahnte Gefahren mit sich bringen. Und ich kenne weder Weg noch Lage. Deshalb habe ich entschieden, dass Luna und Pierre mich begleiten. Ihr, Madame Gousset, bleibt bei den Pferden. Damit Ihr nicht allein und ohne Schutz seid, bleibt Amicus bei Euch. Lunas Hilfe brauche ich bei der Sichtung der Schriftstücke, und Pierres Geschick mag hinter den Mauern des Palastes von großem Nutzen sein.«
    »Ihr seid sicher, dass Ihr auf meine Messer verzichten könnt, Bruder?«, fragte Amicus.
    »Einem Mönch wird im Reich des Heiligen Vaters kein Leid geschehen«, antwortete Raphael.
    »Hm«, machte Amicus. »Wenn ich mich recht entsinne, wart Ihr bei Eurem ersten Besuch im Palast des Papstes in Eure Tracht gekleidet. Habt Ihr vergessen, was damals geschah?«
    Wie hätte Raphael Imberts Hinterhalt vergessen können? Aber dieses Mal lag der Fall anders. »Ihr habt durchaus Recht, Amicus«, sagte er. »Doch heute erwartet uns niemand. Keine Menschenseele weiß von unserem Vorhaben.«
    »Und Cumanus?«, fragte Pierre, während er sich den Habit überstülpte.
    »Cumanus hat unsere Fährte verloren«, sagte Raphael. »Wäre es anders, würden wir diese Unterhaltung nicht führen können.«
    »Vielleicht«, sagte Luna langsam, »war er nur nicht schnell genug.«
    »Hast du von ihm geträumt?«, wollte Raphael wissen.
    Sie sah zu Boden. »Ich bin nicht sicher.«
    Raphael lächelte ihr aufmunternd zu. »Hab Vertrauen, mein Kind.«
    Jeanne nahm den Habit vom Boden auf. »Ich helfe dir in die Gewänder«, sagte sie zu Luna.
    Inzwischen war die Tonsur auf Raphaels Hinterkopf perfekt. Es war ein seltsames Gefühl, nach so vielen Monaten äußerlich wieder ein Mönch zu sein. Es schien fast, als wollte die gewohnte Kleidung nicht mehr recht sitzen.
    »Verlangt Ihr von uns auch, die Tonsur zu tragen?«, fragte Pierre mit einem schiefen Blick auf Raphaels Haupt.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Raphael. »Zieht nur die Kapuzen tief ins Gesicht.« Er nahm eine kleine Tasche aus Schweinsleder von seinem Sattel. Darin verwahrte er die beiden kostbaren Bücher, die Juda ihm einst geschenkt hatte. Eines davon spielte in seinem Plan eine wichtige Rolle. Das andere nahm er heraus und verstaute es in einer Satteltasche.
    Nachdem Luna und Pierre sich die Sandalen umgeschnürt hatten, war es an der Zeit aufzubrechen.
    »Wann, glaubt Ihr, seid Ihr wieder zurück?«, fragte Jeanne.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Raphael. »Versprecht mir, bei Gefahr sofort zu fliehen. Beide!«
    Jeanne und Amicus nickten. »Viel Glück«, sagte Jeanne. »Und seid vorsichtig. Ich bitte Euch in Gottes Namen.«
    Zum Abschied winkten sie den Zurückbleibenden zu. Dann waren sie aus Jeannes und Amicus’ Blick verschwunden.
    Am Aufgang der Treppe gab Raphael seinen Begleitern die letzten Anweisungen. »Sprecht kein Wort«, sagte er. »Lasst mich reden, selbst, wenn man eine Frage an euch richtet. Schaut nicht auf, sondern gebt Acht, dass eure Gesichter niemals zu erkennen sind. Dies gilt insbesondere für dich, Luna. Geht stets hinter mir und nebeneinander. Und vor allem: Tut unbedingt genau das, was ich euch sage.«
    Luna und Pierre nickten und zogen die Kapuze über den Kopf.
    »Gott mit uns«, sagte Raphael und stieg die sandfarbenen Stufen hinauf.
    Er sah, dass keine Ritter Wacht hielten. Stattdessen standen da zwei jämmerlich aussehende Benediktiner. In der Hand hielten sie verbeulte, rostige Schwerter. »Gott zum Gruße, Brüder«, sagte er zu den beiden.
    »Sei auch du gegrüßt, Bruder«, war die freundliche Antwort.
    »Bei meinem letzten Besuch standen hier zwei Ritter des Deutschen Ordens«, sagte Raphael. »Was ist geschehen, dass man euch hier wachen lässt?«
    »Die Ritter sind längst bei unserem Herrn«, erklärte der kleinere der beiden. »Ihnen folgten Johanniter,

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