Hexengericht
Wiederaufbau der Burg, wieder an ihren alten Platz verbrachten.«
Plötzlich schlug Luna die Augen auf. »Raphael«, sagte sie und stand auf. »Ich muss mit dir reden. Bitte, folge mir.«
Unter den überraschten Blicken der Freunde führte Luna Raphael tief in den Wald hinein. Als sie außer Sicht- und Hörweite der anderen waren, hielt sie inne.
»Was ist geschehen?«, fragte Raphael. Es war seltsam, das Mädchen von einem Moment zum anderen derart aufgebracht zu sehen.
»Ich weiß nun«, sagte sie, »wo das Ziel unserer Reise liegt.«
Die Überraschung verschlug Raphael für Momente die Sprache. »Du hast es geträumt?«, fragte er dann. »Oder ist deine Gabe vollends zurückgekehrt?«
»Ich habe es geträumt«, antwortete Luna. Sie wirkte traurig. »In dreiunddreißig Tagen vom heutigen Tage an muss einer von uns gehen.«
»Was meinst du mit gehen ?«
»Einer wird sterben.«
Unwillkürlich wich Raphael drei Schritte zurück. Er war unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen. Zu sehr schnürte es ihm das Herz zu.
»Ich weiß nicht, wer es ist«, sprach Luna weiter. »Aber es wird geschehen.«
»Das … das …«, stotterte Raphael, »das kann nicht sein.«
Lunas Augen bekamen einen glasigen Glanz. Sie stürmte auf Raphael zu und schlang ihre Arme um ihn. »Hilf mir, Raphael«, schluchzte sie. »Bitte, hilf mir. Ich kann das alles nicht länger ertragen.«
Beruhigend strich Raphael ihr über den Kopf. »Sssch«, machte er. »Ich weiß, dass es schwer für dich ist, mein Kind. Aber bald ist es vorüber.« Er dachte nach, während er ihren Kopf sanft an seine Brust legte. »Wo wird es geschehen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Luna. »Ich sehe eine Kirche, deren Glocke herunterfällt. Schnee. Sehr viel Schnee. Ein umgestürzter Amboss. Ein hängender Mann, dem ein Rabe mit dem Schnabel im Mund herumpickt. Ein Grab im Wald. Und ein Schwert. Ein langes Schwert.«
Cumanus, fuhr es Raphael durch den Kopf. Wer könnte es sonst sein! »Gut«, sagte er. »Wir kennen den Ort und die Hand, die den Mord vollführt. Damit sollten wir in der Lage sein, ihn zu verhindern.«
»Ich glaube nicht daran«, sagte Luna. »Der Weg von einem von uns ist zu Ende. Wir können dem Schicksal nicht entfliehen. Niemand kann das.«
»Hab nur Vertrauen, mein liebes Kind«, sagte Raphael. »Wir sind schon manchen Zwangslagen entkommen. Du hast vom Ziel unserer Reise gesprochen. Liegt an dem Ort mit der zerstörten Kirche unser Ziel?«
Sanft schüttelte Luna den Kopf. »Unser Ziel ist eine Burg auf einem hohen Berg.«
»Montsalvat!«, entfuhr es Raphael. Der alte Zufluchtsort der Katharer. »Dann liegen die drei verloren geglaubten Rollen in der Tat noch immer dort in einem Versteck. Hast du sie gesehen?«
»Nein, aber viele Mönche kommen dort zusammen«, erklärte Luna. »Ich weiß nicht, was sie dort tun. Am dritten Tag erscheint mein …« Sie brach ab und presste sich noch fester an Raphael.
»Dein Vater?«, fragte er, und Luna nickte stumm. »Wann wird dies geschehen, Luna?«
»Am Josephstag trifft er auf der Burg ein.«
Raphael rechnete. Der Josephstag fiel auf den 19. März. Folglich begannen die Feierlichkeiten auf Montsalvat am 16. Der Jahrestag der Eroberung durch die Kreuzritter. »Wir könnten ihn vorher abfangen«, sagte er. »Noch bevor er die Burg erreicht.«
»Nein«, sagte Luna. »Am Josephstag soll sich unser aller Schicksal auf Montségur erfüllen. An keinem anderen Tag, an keinem anderen Ort.«
»Weißt du, was dort geschehen wird?«, wollte Raphael wissen. »Kommt es zum Kampf mit Henri? Werden wir obsiegen?«
»Ich habe davon nichts gesehen. Und ich bezweifle, dass es mir erlaubt ist, vorher davon zu erfahren.«
Bei dem Gedanken, auf Henri zu treffen, fröstelte Raphael, obwohl er von Beginn an gewusst hatte, dass dieser Tag kommen würde. Nun gut, bis zum Josephstag waren es noch sechs Monate. Zeit genug, Kraft zu schöpfen, und die Reise dorthin war noch lang. Er nahm Lunas Gesicht in beide Hände und sah sie lächelnd an. »Wollen wir zurück zu unseren Freunden gehen?«
Sie lächelte mit verquollenen Augen, und so gingen sie zu den anderen.
Jeanne eilte ihnen entgegen. Sie sah Lunas verweintes Gesicht und rief: »Ist alles in Ordnung mit dir, mein Kind?« Als sie bei den beiden war, schloss sie Luna fest in die Arme.
»Es ist alles gut«, sagte Raphael. Als sie zu Amicus und Pierre kamen, berichtete Raphael in wenigen Worten, was Luna ihm gesagt hatte. Dass einer von ihnen sterben sollte,
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