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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Geräusch, das schnell auf sie zukam. Dann erreichte seine Ohren das Gebrüll vieler Männerkehlen. Magnus senkte die Hand und starrte mit Raphael in die Richtung, aus der der Lärm sich näherte.
    Das Schneetreiben war zu dicht, als dass der Blick weit reichte. Dreißig Schritte vielleicht. Plötzlich waren dunkle, bewegte Flecken zu sehen. Gleich darauf erkannte Raphael, dass es Reiter waren. Zwei oder drei Dutzend mochten es sein. Der Anführer ritt ihnen weit voraus und stürmte in gerader Linie auf sie zu. Als Raphael den Anführer erkannte, der wie ein Wirbelsturm dahinraste, flüsterte er: »Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Völlig ausgeschlossen.« Er war fassungslos. Hier musste es mit dem Teufel zugehen. Denn es war Cumanus persönlich, der da wie ein Dämon erschien. Seine linke Hand hielt die Zügel, während die rechte das lange Schwert drohend hochreckte. Die Hufe seines Pferdes schlugen krachend in den Schnee.
    Als Cumanus noch zehn Schritte entfernt war, warf Raphael sich neben Pierre und Amicus hin. Magnus schien nicht fähig, zu begreifen, was da soeben geschah. Allerdings hatte es den Anschein, als verstünde er instinktiv die Bedrohung, die von dem unheimlichen Reiter ausging. Er stellte sich breitbeinig hin und hob das Messer zum Angriff. Ein recht lächerlicher Versuch jedoch, dem Reiter mit dem langen Schwert mit diesem Pikser entgegentreten zu wollen. Das schien selbst er in den letzten Momenten seines Lebens zu verstehen. Kurz bevor Cumanus bei ihm war, drehte Magnus sich um und wollte davonlaufen. Er kam vier Schritte weit, dann enthauptete Cumanus ihn mit einem kurzen Hieb. Der haarlose Kopf flog über den ganzen Kirchplatz. Ein Hund kam herbeigelaufen, biss in die Nase und trug den Schädel fort.
    Währenddessen lenkte Cumanus sein Pferd zurück. Vor Raphael zog er an den Zügeln, und die mächtigen Hufe standen still. Kalt lächelte er auf Raphael hinunter. »Mir scheint, ich habe dir das Leben gerettet.«
    Mühsam stand Raphael auf. Die Männer, die Cumanus führte, ritten neben ihren Herrn. Raphael erkannte das Bärenwappen des Marquis de Froissy auf ihren Schilden und Wämsern. Statt einer Antwort spuckte Raphael auf Cumanus’ Habit.
    Doch Cumanus lachte nur, und die Welt schien noch kälter als zuvor. Er deutete mit der Schwertspitze auf Magnus’ toten Körper. »Um ein Haar hätte dieser Lump mir die Freude genommen, dich mit eigener Hand zu töten.«
    Ein paar Männer sprangen aus dem Sattel. Zwei packten Raphael, zwei hoben Pierre auf die Füße. Die anderen untersuchten Amicus.
    »Lebt er noch?«, fragte Cumanus. Die Männer nickten. »Dann nehmt auch ihn mit.«
    In der Mitte des Kirchplatzes stand einsam eine mächtige Eiche. Die Männer führten die Gefangenen dorthin. Amicus war nicht bei Bewusstsein und sie schleiften ihn mit. Sie warfen drei Galgenstricke über einen Ast und stellten Raphael, Pierre und Amicus darunter.
    »Du kannst uns zwar töten«, rief Raphael. »Doch am Ende wirst du und dein ketzerischer Führer Henri le Brasse auf dem Scheiterhaufen enden.«
    Cumanus blieb unbewegt. »Legt ihnen die Stricke um den Hals«, befahl er seinen Männern.
    »Wir wissen um eure geheimen Machenschaften«, rief Raphael. Es war an der Zeit, die letzte Waffe zu ziehen. »Und wir wissen um die drei Rollen.«
    Jetzt wurde Cumanus hellhörig. »Wartet!«, rief er den Soldaten zu. Er stieg vom Pferd und ging zu Raphael. Aus seinen schwarzen Augen stierte er Raphael an. »Was sagst du da?«
    »Du hast richtig gehört«, sagte Raphael. »Wir wissen von der Botschaft Jesu Christi. Die Botschaft, die er seinem Begleiter in Rom auftrug und die dieser auf drei Schriftrollen niederschrieb. Der Heilige Vater wird euch kaum verschonen, wenn er erfährt, dass ihr im Besitz dieser Rollen seid.«
    »Er wird nie davon erfahren«, sagte Cumanus. »Denn ihr seid bald mausetot.« Er gab den Männern ein Zeichen, und sie begannen, an den Stricken zu ziehen.
    Raphael wurde bleich. Er verlor den Boden unter den Füßen. »Wir sind nicht die Einzigen«, keuchte er.
    »Lasst sie herunter«, befahl Cumanus. »Du sprichst von den Weibern? Kein Bischof, kein Kardinal und schon gar nicht der Papst wird ihnen Gehör schenken. Zudem besitzen wir eine Macht über den Heiligen Stuhl, die du dir nicht im Entferntesten vorzustellen vermagst.«
    Selbst im Angesicht des Todes brachte Raphael es fertig, laut zu lachen. »Ihr besaßet Macht über Johannes XXII. Clemens VI. jedoch ist aus ganz anderem Holze.

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