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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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bearbeitete. Den Schmied würde sicher nicht frösteln, dachte er noch, als plötzlich die vom Haus abgewandte Seitenwand der Halle einstürzte. Im letzten Augenblick brachte sich der Schmied mit einem weiten Sprung in Sicherheit. Die Steine prasselten in das lodernde Feuer und auf den Amboss und warfen ihn um. Erst dachte Raphael bei dem Anblick nichts. Dann plötzlich fielen ihm Lunas Worte wieder ein. »Bei Gott«, flüsterte er. Es bedurfte einer gewaltigen Willensanstrengung, nicht unverzüglich alles hinzuwerfen und aus Aubignas zu fliehen. Er redete sich ein, dass die Mauer auch eingestürzt wäre, wenn sie nicht hierher gekommen wären. Es lag zu viel Schnee auf dem Dach, und das alte Mauerwerk war nicht mehr in der Lage gewesen, die Last zu tragen. Er biss sich auf die Lippen. Während aus allen Richtungen Leute herbeieilten, um dem Schmied zu helfen, suchten sie weiter nach einer Schänke.
    Sie kamen am Gerichtsgebäude vorbei. Davor, am Galgen auf dem Richtplatz, hing die Leiche eines Mannes. Er trug weder Hemd noch Schuhe und mochte dort oben schon eine Weile hängen. Der tote Körper baumelte im Wind hin und her. Plötzlich kam eine Windböe auf und drehte den Gerichteten. Auf seinem Kopf saß ein Rabe und pickte im halb geöffneten Mund der Leiche herum.
    Nackte Angst stieg in Raphael empor. Erst der Schneesturm, dann der umgestürzte Amboss, und dies war das dritte Zeichen von Lunas Prophezeiung. Er rechnete nach. Waren dreiunddreißig Tage vergangen, seit Luna ihm offenbart hatte, was geschehen würde? Die vielen Wochen im Wald ließen einen jeden Sinn für Zeit vergessen. »Wir sollten gehen«, flüsterte er. Und lauter: »Lasst uns von hier verschwinden. Auf der Stelle.«
    Amicus schlug Raphael auf die Schulter. »Was, Bruder? Von so einem armen Schwein lassen wir uns doch nicht ins Bockshorn jagen! Und weit kann es nicht mehr sein.«
    Durch die nächste Straße gelangten sie zum einem Kirchplatz. Die Kirche war wie alles andere in der Stadt alt und baufällig. Im Kirchturm fehlten unzählige Steine. Der Glöckner drinnen schlug die Glocke an. In diesem Augenblick, Raphael blickte gerade sorgenvoll zu der Glocke hinauf, riss das Glockenseil, und das schwere Ding schlug gleich darauf krachend im Kirchboden ein. Staub drang aus den geöffneten Fenstern.
    Das genügte Raphael vollends. »Wir verlassen diese Stadt. Keine Widerrede. Mir ist es äußerst ernst!« Er wandte sich um – und schrie auf. Vor ihm stand ein wahrer Riese von einem Mann. Er musste den Kopf weit in den Nacken legen, um ihn anschauen zu können. Der Hüne war kahl, und die Augen in dem feisten Gesicht funkelten böse. Bekleidet war er mit einem dünnen Hemd und einer viel zu kurzen Hose. Die klobigen Füße waren mit zusammengebundenen Tüchern umwickelt.
    Bei Raphaels Schrei wandten sich auch Pierre und Amicus um. »Magnus!«, rief Pierre entsetzt.
    »Es freut mich«, sagte der Riese mit tiefer Stimme, »dass ihr mich wieder erkennt. Mein Geld habt ihr mir genommen. Aber ihr habt etwas vergessen, und durch Gottes Fügung kann ich es euch nun geben.« Er holte aus, ein Messer blitzte, und er rammte die Klinge in Amicus’ Brust. Der so schwer Verwundete starrte seinen Widersacher mit offenem Mund an. Dann strömte Blut über seine Lippen, tropfte auf den Mantel und rann hinab, wo es rote Tupfen im Schnee bildete. Ohne einen einzigen Schrei auszustoßen, kippte Amicus nach hinten. Der Riese, den Pierre Magnus genannt hatte, lachte und glotzte auf das blutverschmierte Messer. »Und jetzt bist du an der Reihe, Bürschchen«, sagte er zu Pierre und ging auf ihn zu.
    Unwillkürlich tat Pierre einen Schritt zurück. Er stolperte über Amicus und fiel neben ihm in das weiche Schneebett.
    Raphael beobachtete die Szene wie aus weiter Ferne. Es war ihm unmöglich, zu begreifen, was sich da vor seinen Augen abspielte. Amicus, der hünenhafte Recke, der so viele Male ihrer aller Retter gewesen war, dem er selbst zu danken tausend Jahre benötigen würde, lag tödlich verwundet zu seinen Füßen. Pierre als nächstes Opfer dieses Golems gleich daneben. Schon beugte sich dieses Ungeheuer über den Jungen. Luna hatte in diesem Punkt versagt. Nicht Cumanus sollte Amicus’ Mörder sein, sondern dieser Magnus. Aber hatte sie auch geirrt, als sie von nur einem Opfer sprach? Wenn nicht, müsste nun ein Wunder geschehen.
    Und das Wunder geschah. Von einem Moment zum anderen mischte sich unter das Heulen des Windes ein ungewöhnliches, krachendes

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