Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
Vom Netzwerk:
rief er. »Du warst betrunkener, als ich dachte, Maurice.«
    »Bist du gekommen, um mir auf den Geist zu gehen?«, fragte d’Aubrac. Plötzlich stampfte er mit dem Fuß auf, dass die Dielen unter ihm bebten. »Verdammt!«, rief er und ging zum Fenster. Er öffnete es und brüllte hinaus: »Kann nicht endlich wer diesem gottverfluchten Gockel den Hals umdrehen?« Er schmetterte das Fenster zu, und das Glas zersprang.
    »Ich glaube«, grinste Roger, »ich weiß, was dir fehlt. Ein ordentliches Frühstück.«
    »Ach, was weißt du schon?«, knurrte d’Aubrac.
    Roger packte seinen Freund an den Schultern und zog ihn mit sich. D’Aubrac nahm fünf Livre aus seinem Geldbeutel und warf sie der schnarchenden Dufaux auf den Tisch.
    Draußen drang d’Aubrac gleißendes Sonnenlicht in die Augen. Er schützte sie mit beiden Händen, während sie weitergingen.
    »Ist es nicht ein herrlicher Tag, Maurice?«, fragte Roger.
    »Frag mich das, wenn er vorbei ist«, antwortete d’Aubrac. Er stutzte. »Wo sind die Männer?«
    »Einige liegen noch in den Betten der Huren«, erklärte Roger. »Die anderen sind im Lager. Sie warten darauf, dass wir ihnen Brot, Käse und Speck bringen.«
    Ruckartig blieb d’Aubrac stehen. »Sie warten darauf, dass ich ihnen das Frühstück heranschaffe? Ich glaube, du hast die letzte Nacht im Heuhaufen neben diesem Gockel verbracht, Roger!«
    Roger lachte laut auf. »Hab dich nicht so«, sagte er. »Nach der ganzen Zecherei tut dir ein wenig Bewegung nur gut. Nun komm schon. Die Bäckerei ist gleich dort vorn.«
    D’Aubrac brummte so ziemlich alle Schimpfworte in allen Sprachen, die er je gehört hatte. Und das waren viele.
    Schließlich kamen sie zur Bäckerei. Die Tür war verschlossen, und durch das große Fenster war niemand in der Backstube zu sehen.
    »Jetzt reicht’s!«, brummte d’Aubrac. Er ging um die Backstube herum.
    Roger blieb dicht hinter ihm. »Hast wohl doch größeren Hunger, als du zugeben mochtest«, spottete er.
    Die Hintertür zur Backstube war nicht versperrt. D’Aubrac stieß sie auf und rief nach dem Bäckersmann. Keine Antwort. Er sah Roger an. »Rein da.«
    Hintereinander betraten sie die Backstube. Es war staubig und roch nach Mehl. Doch weder vom Bäcker noch von seiner Frau noch von irgendwem war etwas zu sehen. Sie sahen sich überall um. Dann gingen sie die Treppen in die Wohnräume des Bäckers hinauf. Vor der Schlafkammer blieben sie stehen. D’Aubrac legte ein Ohr daran. »Da schnarcht wer«, raunte er Roger zu. Er legte seine Hand auf den Türgriff, atmete einmal tief durch und polterte in die Kammer.
    Von dem Lärm geweckt, sprangen der Bäcker und seine Frau auf. Als sie die großen, bärbeißigen Gestalten erblickten, schrien sie auf. »Was … was wollt ihr von mir?«, stammelte der Bäcker. Seine Schlafmütze war verrutscht und verdeckte sein halbes Gesicht. »Ich habe kein Geld. Bitte, tötet uns nicht.«
    D’Aubrac genoss die Panik, die er bei den beiden auslöste. Er stellte sich ans Bett, verschränkte die Arme und sagte mit tiefer Stimme: »Wo ist das Brot?« In seinem Rücken hörte er, wie Roger nur schwer einen Lachanfall unterdrückte.
    »Brot?«, echote der Bäcker. Es war ihm anzusehen, dass ihn die Situation völlig überforderte. Er sah von d’Aubrac zu Roger, dann zu seiner Frau, die ihre Decke bis unters Kinn gezogen hatte. Sein Blick fiel auf das Fenster. »Herr im Himmel!«, rief er aus. Er riss seine Schlafmütze herunter. »Es ist längst helllichter Tag. Das ist mir mein Lebtag noch nicht passiert.« Er schlüpfte in Hemd und Hosen. »Gebt mir eine Stunde, gute Leute«, bat er. »Dann sollt Ihr Brot bekommen, so viel Ihr tragen könnt.«
    »In einer Stunde«, brummte d’Aubrac. Er wandte sich um und verließ mit Roger die Kammer und die Backstube.
    Als sie wieder auf der Straße waren, sagte Roger: »Seltsam. Ein Bäcker, der am Morgen schläft.«
    D’Aubrac wollte etwas entgegnen, doch er hielt schlagartig inne. »Was hast du da eben gesagt?«
    »Ein Bäcker, der am Morgen schläft«, wiederholte Roger. »Warum fragst du? Spreche ich etwa undeutlich? Das mag am Wein liegen. Du musst wissen, ich …«
    »Schwatz nicht so viel«, wehrte d’Aubrac ab. Er ließ die Worte in seinem Geiste widerhallen. Erst der Hahn, der schon in der Nacht kräht, jetzt der Bäcker, der morgens noch immer schläft. War es wirklich möglich, dass …? Er wischte die Gedanken beiseite. Völliger Humbug.
    »Was ist mit dir?«, fragte Roger.
    »Nichts«,

Weitere Kostenlose Bücher