Hexengericht
sich etwas.«
Tatsächlich. Ein paar Gestalten traten vorsichtig aus dem Wald heraus und sahen sich um.
»Wer ist das?«, fragte Jeanne.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Raphael. »Ich glaube, es handelt sich um … ja, ganz gewiss, es sind Mönche.«
»Mönche?«, echote Jeanne. »In der Tat. Jetzt erkenne ich sie auch. Von welchem Orden?«
Die Frage war für Raphael einfach zu beantworten. Die schwarze Ordenstracht war unverkennbar. »Es sind Benediktiner«, sagte er.
»Was haben Benediktiner hier verloren?«, wollte Pierre wissen.
»Das, mein Junge«, antwortete Raphael, »vermag ich dir nicht zu sagen.«
Sie beobachteten, wie die Mönche, ständig um sich blickend, auf den Berg zustrebten. Schließlich stiegen sie den Weg zur Burg hinauf.
»Da kommen noch mehr«, sagte Luna.
Weitere Gestalten schälten sich aus dem Wald. Ebenso vorsichtig wie die Benediktiner gingen sie langsam auf die Burg zu.
Raphael zählte zehn Männer. Er erkannte die braunen Kutten auf einen Blick. »Franziskaner!«
Die Franziskaner folgten den Benediktinern zur Burg. Gleich darauf kamen wieder Mönche aus dem Wald.
»Es wird immer verrückter«, sagte Raphael. »Das dort unten sind Kartäuser.«
Nun strömten Brüder aller Orden aus dem Wald. Raphael erkannte Zisterzienser, Dominikaner, Augustiner, Karmeliter, Serviten und Prämonstratenser. Bis zum Abend mochten gut und gern zweihundert Mönche auf die Burg gekommen sein.
In der Nacht knurrte Pierres Magen im Einklang mit den Rufen der Käuzchen.
»Ob noch mehr kommen?«, fragte Jeanne.
»Ich glaube nicht«, sagte Raphael und stand stöhnend auf. Er selbst verspürte Hunger für zehn Männer. »Brechen wir auf.«
»Seltsam«, sagte Pierre.
»Was meinst du?«, fragte Raphael.
»Die Mönche«, Pierre zeigte zur Burg. »Sie sitzen wohl im Stockdunklen.«
Sie sahen hinauf, und Raphael ahnte, worauf Pierre hinauswollte. In den Fenstern der Burg brannte kein einziges Licht. Raphael dachte nach, konnte sich aber nicht daran erinnern, in den Stunden zuvor Licht gesehen zu haben.
»Womöglich schlafen sie«, sagte Jeanne.
»Nein«, erwiderte Luna. »Sie sind nicht mehr in der Burg.«
Sechs Augen starrten Luna fassungslos an. »Was willst du damit sagen?«, fragte Raphael. »Sie haben sich wohl kaum in Luft aufgelöst.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Luna. »Ich weiß nur, dass sie nicht mehr auf der Burg sind.«
Raphael massierte seine Schläfen. »Reden wir morgen darüber, und legen wir uns schlafen.«
So marschierten sie durch den Wald zurück zu ihrem Lager. Dort angekommen, riss Pierre einen großen Kanten von einem Brot und verschlang ihn. Anschließend gähnte er einmal und fiel auf das Fell, wo er unverzüglich zu schnarchen begann.
»Ich streife noch ein wenig umher«, sagte Luna zu Raphael und Jeanne. »Die Luft riecht in der Nacht so wundervoll nach Moos und Bäumen.«
»Geh bitte nicht zu weit«, bat Raphael das Mädchen. »Und bleib nicht zu lang fort. Hörst du?«
»Ja, ja«, sagte Luna und war auch schon verschwunden.
Raphael richtete die Felle von seiner und Jeannes Schlafstatt und bedeutete ihr, sich zu setzen.
»Warum, glaubt Ihr, sind Mönche aller Orden am Jahrestag der Vernichtung der Katharer an diesen Ort gekommen?«, fragte Jeanne.
Aus einem Schlauch füllte Raphael einen Becher voll Wein, reichte ihn Jeanne und nahm neben ihr Platz. »Ich vermute«, sagte er, »dass all diese Mönche den Katharern angehören. Im Verborgenen gewiss, da die Offenlegung dieses Geheimnisses ohne Zweifel ihren Tod bedeuten würde.«
Jeanne nickte. »Ihr mögt Recht haben.« Sie stellte den Becher ab und legte sich nieder.
»Es ist spät geworden«, sagte Raphael. Er gähnte und ließ sich neben Jeanne sinken. »Habt eine gute Nacht.« Er schloss die Augen.
Und während er noch über die Mönche und ihre Verbindung zu Montsalvat grübelte, spürte er plötzlich Jeannes Hand, die ihn zärtlich am Arm streichelte. Es war sehr angenehm, und so ließ er sie gewähren. Derlei Zärtlichkeiten hatten beide schon unzählige Male ausgetauscht. Als ihre Finger dann aber zu seinem Bauch glitten und weiter an seinen Beinen entlang und schließlich unter die Kutte, begann sein Herz zu schlagen wie die Glocke von St. Albert. »Madame«, flüsterte er, »ich weiß nicht, ob …«
»Sssch«, hauchte sie und legte sanft, aber bestimmt die Finger ihrer anderen Hand auf Raphaels Lippen. Sie beugte sich vor und küsste ihn.
Ihre warmen Lippen, die die seinen liebkosten,
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