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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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begeistert. Das gleiche Kunststück vollbrachte er mit Keulen, die eine Elle maßen. Schließlich zündete er die Keulen an und jonglierte mit den brennenden Fackeln.
    Eine weitere Kunst, die Miraculus beherrschte, war das Bauchreden. Er nahm aus einer Holztruhe eine Puppe, die aussah wie ein blond gelockter Prinz. Dann fuhr er mit der Hand hinein und ging auf ein rothaariges Mädchen von vielleicht fünf Jahren zu. Er hielt die Puppe vor ihr Gesicht und sagte, fast ohne die Lippen zu bewegen: »Hallo, liebes Mädchen.«
    »Hallo«, sagte die Kleine verwundert. Dabei blickte sie zu der Puppe und von der Puppe zu Miraculus
    »Wie ist dein Name?«, fragte die Puppe.
    Dem Kind war anzusehen, dass ihm unheimlich zumute war. Der Prinz sprach, doch öffnete er nicht den Mund. Und dieser merkwürdige Mann, der den Prinzen hielt, sprach auch nicht. »Bernadette«, sagte sie verschüchtert, dabei hielt sie sich an der Schürze ihrer Mutter fest.
    »Oh, welch bezaubernder Name«, sagte der Prinz. »Wie der einer Prinzessin.«
    Das Mädchen lächelte verlegen.
    »Möchtest du später eine Prinzessin sein?«, fragte der Prinz.
    »Ja«, sagte die Kleine und nickte heftig. Sie schien Gefallen an dem seltsamen Wesen zu haben.
    »Und aus welchem Land soll dein Prinz kommen?«
    »Oh«, machte das Mädchen. Sie zuckte mit den Schultern.
    »Schau«, sagte der Prinz, »einmal wirst du groß sein, und ein Prinz kommt auf einem weißen Ross daher, das glänzt wie Silber. Bestimmt wird er für dich einen großen Drachen töten. Hast du schon einmal einen Drachen gesehen?«
    Das Mädchen schüttelte wild mit dem Kopf, dass die roten Locken flogen.
    »Drachen sind wilde, gefährliche Geschöpfe, die Feuer aus ihrem Maul speien. Nur die stärksten und tapfersten Prinzen können sie besiegen.«
    Gebannt, den Mund weit geöffnet, starrte das Kind auf den Prinzen.
    »Du wirst dereinst seine Prinzessin sein. Euer Reich sind die Gefilde eurer Herzen, wo nur ihr allein herrscht. Und irgendwann, so Gott will, werdet ihr eine kleine Prinzessin haben, so wie du jetzt eine kleine hübsche Prinzessin bist.«
    Staunend blickte das Mädchen in die hölzernen Augen der Puppe. Dann griff sie danach und drückte sie fest an ihre Wangen. Die Leute lächelten verzückt. Die Mutter gab Miraculus einen Sou, und unter tosendem Applaus verbeugte sich der Bauchredner.
    »Hochverehrtes Publikum«, rief Miraculus, nachdem er die Puppe wieder in die Kiste gelegt hatte. »Zum Schluss meiner Darbietung benötige ich Eure Unterstützung. Gibt es unter Euch einen Freiwilligen, der sich bereit erklären würde, einer kleinen Gaukelei beizuwohnen?«
    Zwei betrunkene Gerber stießen lachend ihren nicht minder betrunkenen Begleiter in die Mitte des Platzes. Noch bevor der verdutzte Mann zurückschleichen konnte, packte Miraculus ihn am Schlafittchen.
    »Wie lautet Euer Name?«, fragte der Gaukler, während er den Gerber fortzog.
    »Louis«, lallte der Mann.
    Miraculus zog seine Ärmel hoch und zeigte dem Gerber und dem Publikum seine leeren Hände. »Seht her! Meine Hände sind leer wie die Kassen des Königs.« Gelächter. Blitzschnell griff er dem Gerber hinter ein Ohr und zog eine Münze hervor. Unter den staunenden Blicken der Umstehenden fand er dort noch drei weitere Münzen.
    Erschrocken fasste der Gerber hinter seine Ohren, musste dann aber enttäuscht einsehen, dass dort keine Münzen mehr zu finden waren.
    Doch schon vollführte der Zauberer neue schelmische Spiele mit ihm. Unter seinem Hut fand Miraculus ein Ei, das er an seinem Kopf aufschlug und hinunterschlang. Ein Griff in sein Wams, und Louis sah überrascht, dass Miraculus ein Tuch herauszog, das scheinbar kein Ende nahm. Miraculus fand noch einige andere Dinge in den Gewändern des Gerbers, dass dem Mann die Augen übergingen.
    Miraculus verabschiedete Louis mit den Worten: »Ich danke Euch für Eure Hilfe.«
    Louis wollte gerade davontorkeln, da hielt die Stimme des jungen Zauberers ihn zurück: »Habt Ihr nicht etwas vergessen?«
    Der Gerber tastete sich ab. Da hielt Miraculus einen Geldbeutel in die Luft. Louis lachte und wollte nach seinem Geldbeutel greifen, da verschwand er auch schon aus Miraculus’ Hand und tauchte gleich darauf in seiner anderen Hand auf. Unter Begeisterungsrufen schickte Miraculus seinen unfreiwilligen Helfer zurück zu dessen betrunkenen Freunden.
    »Und nun, verehrte Leut’«, sagte Miraculus abschließend, »danke ich für Euren Applaus und Euer Wohlwollen.«
    Das Publikum

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