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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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zurück.
    Solche Worte war Magnus nicht gewohnt. »Du mieser kleiner …«, keuchte er. » Dir werde ich zeigen, was dir zusteht.« Damit packte er Pierre, presste ihn an seinen stinkenden Körper und drückte ihm die Kehle zu.
    Im letzten Augenblick griff Gottes Hand ein. Amicus stand plötzlich hinter Magnus und hielt ihm ein Messer an die Kehle. »Lass ihn sofort los«, zischte er.
    Magnus wagte keine Bewegung. Schweißperlen rannen über sein feistes Gesicht. Er löste die Umklammerung, und der Junge fiel hustend nach vorn.
    »Ganz ruhig«, sagte der Messerwerfer zu Magnus. »Ich gehe jetzt einen Schritt zurück. Rühr dich ja nicht.«
    »Das wirst du mir büßen.« Magnus’ Stimme klang wie fernes Donnergrollen. Er wandte sich um.
    Amicus stand da wie ein Fels. Keine Wimper zuckte, die Augen fest auf Magnus gerichtet, das Messer zum tödlichen Hieb bereit.
    »Eines Morgens wirst du nicht mehr aufwachen«, drohte Magnus dem jungen Pierre. Er warf einen letzten Blick auf Amicus und ging.
    Pierre kam allmählich wieder zur Besinnung. Agnès und der alte Bertrand halfen ihm auf. »Das darfst du nie wieder tun, Pierre«, sagte Agnès. »Hörst du? Nie wieder.«
    »So ein Unfug!«, wetterte der alte Bertrand. »Du stürzt uns noch alle ins Unglück!«
    Pierre sagte nichts, sondern warf Amicus einen dankbaren Blick zu, den dieser mit einem kurzen Nicken erwiderte.
    »Seht!«, rief da der große Jacques.
    Die Truppe blickte in die Richtung, in die der große Jacques wies. Was sie sahen, verblüffte sie. Der Markt war noch lange nicht zu Ende, es war gerade kurz nach Mittag, doch die Leute strömten davon. Die Händler schlossen ihre Stände. Sie waren seit vielen Jahren auf unzähligen Märkten im ganzen Land gewesen, aber so etwas war noch nie zuvor passiert. Für gewöhnlich beendete der Herold den Markt am Nachmittag, und erst dann verließ ein jeder den Platz.
    Da kam auch schon der kleine Jacques herbeigelaufen. »Eine …«, keuchte er aufgeregt. »Eine … eine …«
    »Beruhige dich und hole Luft«, sagte Amicus.
    Der kleine Jacques schluckte. »Eine Hexenverbrennung!«
    Ungläubig, mit offenem Mund, starrten sie einander an. Eine Hexenverbrennung in dieser Gegend? Das hatte es noch nie gegeben.
    Pierre zog seinen Mantel fester um sich. Hexenverbrennungen waren nichts Ungewohntes mehr für ihn. Letztes Jahr in Bayeux, dachte er. Der alte Mann schrie noch, als die Flammen seinen Kopf erfassten. So etwas Schreckliches wollte Pierre nicht noch einmal erleben.
    »Kommst du mit?«, fragte der alte Bertrand.
    Pierre wollte eigentlich nicht mitgehen, aber der Gedanke, allein hinter dem Wagen zu hocken und darauf zu warten, dass Magnus zurückkam, gefiel ihm noch weniger. »Ich komme«, antwortete er und folgte den Spielleuten.
    Auf dem Richtplatz war ein Scheiterhaufen errichtet, auf dem eine Frau festgebunden war. Davor stand ein Büttel. Er entrollte ein Dokument und las laut vor: »Es sollen billig erschrecken und mit stillschweigender Verwunderung alle Zuseher auf diesem traurigen Schauplatz anhören und zu Gemüte ziehen, was der von Gott in die Höllenglut verstoßene Mord- und Lügengeist in den Kindern des Unglaubens wirkt und zu was für harten, grausamen Untaten er sie zum Verderben ihrer armen Seelen anführt. Welchergestalt die erschrecklichen, himmelschreienden und stummen Sünden der Zauberei und Sodomiterei vielerorten überhand genommen und hochschädlicherweise um sich gefressen, das bezeugt die tägliche, höchst traurige Erfahrung. Daher muss von einer christlichen Obrigkeit auch beizeiten durch harte und exemplarische Bestrafung solchen seelenverderblichen Unheil- und Gräueltaten vorgebeugt werden.« Sodann verlas er Geständnis und Urteil und schloss mit den Worten: »Erlassen, verkündet und vollstreckt zu Rouen am 2. Februar im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1348.«
    Auf ein Zeichen hin entzündeten der Henker und einige Knechte ihre Fackeln und hielten sie an den Scheiterhaufen. Doch wegen der Kälte und der Feuchtigkeit brannte das Holz nicht an, und so schütteten sie Eimer mit Öl darüber. Schließlich fing das Reisig Feuer. Flammen züngelten zu den dicken Hölzern, und innerhalb weniger Augenblicke stand der Scheiterhaufen in Flammen. Der Mob starrte gebannt auf das Schauspiel. Kinder versteckten sich hinter ihren Müttern. Frauen schlugen die Hände vors Gesicht, gestandene Männer wandten sich ab. Ein junger Mönch stand beim Scheiterhaufen und betete für die arme Frau.
    Sie stand

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