Hexengericht
endlich!«
Der Famulus verschwand erneut, und Jeanne ging zu ihrem Mann. Dicht vor ihm blieb sie stehen. »Ich flehe dich an«, beschwor sie ihn. »Verrate Raphael nicht. Nie und nimmer ist er ein Ketzer. Das weißt du so gut wie ich.«
»Die Kirche weiß es«, erwiderte Gousset. »Das genügt mir als Beweis. Nun geh mir aus den Augen!« Er versuchte, sie fortzuschieben.
Doch Jeanne wehrte sich gegen Gousset. »Gut, dann komme ich mit dir.«
Verdutzt öffnete Gousset den Mund. »Ich höre wohl nicht recht«, keuchte er. »Du tust, was ich dir sage, Weib!«
Nur einmal in ihrem Leben hatte sich Jeanne derart hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick. Und das war der Tag ihrer Vermählung mit diesem furchtbaren Mann gewesen.
Als Gousset sich an ihr vorbeidrängen wollte, schlang sie ihre Arme um seinen dürren Leib. »Man wird ihn auf dem Scheiterhaufen verbrennen!«, unternahm sie einen letzten Versuch, Gousset von seinem Vorhaben abzubringen.
Gousset befreite sich aus der Umklammerung. »Kein Wort mehr, sage ich!« Er warf Jeanne zu Boden.
»Ich lasse dich nicht gehen!«, rief Jeanne und griff nach seinen Beinen.
Ein Hieb mit der Faust, und Jeanne kippte besinnungslos zur Seite. Gousset kümmerte sich nicht weiter um sie, sondern zog seinen Mantel an. Der Famulus erschien, um zu berichten, dass die Pferde gesattelt wären. Gousset nickte und verließ mit seinem Diener das Haus.
Gerade verhallten die letzten Klänge des Psalmengesangs zum Completorium im Kapitelsaal von St. Albert. Die Mönche begaben sich zur Nachtruhe. Gousset sprang vom Pferd und rannte keuchend auf das schwere Tor des Klosters zu. Dröhnend hämmerte er dagegen, bis ein junger Mönch ihm öffnete. »Ihr wünscht?«
»Führt mich zu Eurem Prior, Bruder«, stieß Gousset atemlos hervor.
»Der ehrwürdige Vater empfängt zu dieser Stunde keine Besuche mehr«, gab der Mönch zu verstehen. »Kommt morgen wieder.«
Gousset stellte einen Fuß in das Tor. »Es ist von größter Bedeutung, dass ich unverzüglich den Prior spreche. Es geht um den Ketzer Raphael. Bitte, lasst mich ein.«
Der Mönch überlegte kurz, dann öffnete er das Tor für den späten Gast. Sorgfältig verschloss er es hinter Gousset. »Folgt mir.«
Wortlos führte der Mönch Gousset über den dunklen Klosterhof. Vor dem Abthaus blieb er stehen. »Wartet hier«, sagte er und verschwand darin, um kurz darauf wieder zurückzukehren. »Der ehrwürdige Vater empfängt Euch.«
»Danke, Bruder«, sagte Gousset und betrat das Haus.
»Kommt her!«, rief eine dunkle Stimme.
Bedächtig folgte Gousset der Stimme in einen halbdunklen Raum. Hinter einem breiten Tisch saß der Prior, davor zwei Dominikaner, deren Gesichter Gousset nicht erkennen konnte. »Wer seid Ihr?«, fragte der Prior, ohne sich die Mühe einer Vorstellung zu machen.
»Mein Name ist Auguste Gousset, ehrwürdiger Vater«, sagte Gousset. »Ich bin Kaufmann und habe ein Gut nahe dem Dorf Boos. Ich …«
»Gut, gut«, grollte Henri le Brasse. »Kommt zum Grund Eures Erscheinens. Ihr habt Informationen über Raphael?«
»Ja, ehrwürdiger Vater. Er kam heute Abend in mein Haus und bat um Geld. Sagte, er wäre unschuldig der Ketzerei bezichtigt.«
Henri zog die Augenbrauen hoch. »Tat er das?«, sagte er mehr zu sich selbst, dabei blickte er die beiden Dominikaner durchdringend an. »Was sagte er noch?«
Gousset fühlte, dass sein Entschluss, den Prior zu informieren, richtig war. Die Worte sprudelten aus ihm heraus. Hier und da unterstrich er seine Erläuterungen mit Bibelsprüchen und fügte das eine oder andere frei erfundene Element hinzu. Vielleicht ergaben sich ja ungeahnte Vorteile für ihn, wenn aufgrund seiner Hinweise Raphael gefasst wurde. Bestimmt würde der Prior ihm eine großzügige Belohnung zukommen lassen. Womöglich gar ein großes Stück Land. So schloss er mit den Worten: »Als guter Katholik sah ich es als meine Verpflichtung an, Euch über die Pläne des Ketzers zu informieren, ehrwürdiger Vater. Auf dass Ihr ihn alsbald ergreifen und im Namen Jesu Christi bestrafen könnt.«
»Der Dank der Kirche ist Euch gewiss«, sagte Henri. »Sie wird es nicht vergessen. Und nun lasst uns allein.«
Goussets Lächeln gefror. Hatte er doch auf eine sofortige Belohnung gehofft. Sollte er den Prior darauf ansprechen? Henris schwarze Augen sagten, dass jedes weitere Wort unnütz war. So schlich Gousset davon.
»Imbert und Cumanus«, sprach Henri die beiden Mönche an. Beide waren große, asketische
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