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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Männer mit strengen Blicken und schmalen Lippen. Der eine, Imbert, war von einer hässlichen Narbe auf der linken Wange gezeichnet, der andere war an seinem kahlen Schädel leicht zu erkennen. »Brecht sofort auf. Reitet nach Les Andelys und schafft Raphael her. Es genügt, wenn ihr mir seinen verkohlten Leichnam bringt. Vielleicht ist das die beste Lösung. Richtet ihn dort, wo ihr ihn findet.«
    Imbert und Cumanus lächelten kalt. Der Ketzer würde brennen, noch bevor er das Vaterunser beten konnte. Einer Verhandlung bedurfte es in diesem Fall ohnehin nicht. Henri hatte Raphael bereits durch öffentliche Bekanntmachung für vogelfrei erklärt. Jeder Dieb, Wegelagerer oder Leibeigene durfte ihn töten, ohne auch nur die geringste Strafe der weltlichen und kirchlichen Gerichte befürchten zu müssen. Außerdem besaßen Imbert und Cumanus die wirkungsvollste Legitimation zur fast grenzenlosen Machtausübung vom Papst persönlich: Der Heilige Stuhl hatte sie unlängst zu Inquisitoren ernannt.
    Plötzlich flog die Türe zum Abthaus auf. Noch ehe Henri seine Verärgerung über das ungebetene Eindringen zum Ausdruck bringen konnte, rief ein Mönch keuchend: »Ehrwürdiger Vater, die Gefangene ist geflohen!«
    »Welche Gefangene?«, herrschte Henri den Mönch an. »Erklär dich deutlicher!«
    »Luna Langlois, ehrwürdiger Vater. Sie ist aus dem Hexenturm entkommen!«
    Henri erbleichte. Er musste sich setzen. »Wann?«
    »Heute Morgen vor Tagesanbruch.«
    »Heute Morgen?«, schrie Henri. »Und ich erfahre erst jetzt davon?«
    Der Mönch schwieg.
    »Wie konnte das passieren?«, wollte Henri wissen.
    »Offenbar ist ihr jemand zu Hilfe gekommen«, sagte der Mönch mit brüchiger Stimme. »Die Knechte sagen, ein Jüngling hätte sie niedergeschlagen und wäre mit der Hexe geflohen.«
    »Ein Jüngling schlug die Knechte nieder?«, donnerte Henri. »Was weißt du noch? Sprich endlich!«
    »Zuletzt sah man drei Personen die Stadt Richtung Süden verlassen, ehrwürdiger Vater.«
    Fassungslos starrte Henri den Mönch an. »Drei? Wieso sind es plötzlich drei?«
    »Man weiß es nicht, ehrwürdiger Vater. Draußen wartet ein Bote. Habt Ihr Order für ihn?«
    »Ja«, sagte Henri, dachte dann aber kurz nach. »Nein, schick ihn fort. Und schlagt den Knechten allesamt den Kopf ab! Nun geh! Geh!«
    Der Mönch raffte seine Kutte und lief davon.
    Mit einer Wucht, dass die Kerzen umfielen, schlug Henri auf den Tisch. Doch schnell gewann er seine Fassung wieder. Er blickte die still dasitzenden Inquisitoren an. »Wir müssen unsere Pläne nur geringfügig ändern«, sagte er. »Imbert, du folgst Raphael. Er darf unter keinen Umständen nach Avignon gelangen. Findest du ihn nicht in Les Andelys, reite weiter nach Dreux. Dort leben seine Eltern, und ich bin sicher, er wird sie auf dem Weg nach Avignon besuchen wollen. Cumanus, du spürst Luna und den beiden Unbekannten nach. Tötet sie alle.«
    Imbert und Cumanus sahen sich an und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie würden ihre Mission erfüllen. Bisher hatten sie jede Mission erfüllt.

    Im Hause Gousset erwachte Jeanne aus tiefer Bewusstlosigkeit. Sie benötigte einige Zeit, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Und der erste Gedanke war, Raphael zu folgen und ihn vor Augustes Verrat zu warnen. Sie war es endgültig leid, von ihrem Gemahl wie eine Gefangene gehalten und täglich geschlagen zu werden. Sie war es leid, an jedem Sonntag in der Kirche ihre Wunden und ihre blauen Flecken von Goussets Hieben mit Faust und Gürtel verbergen zu müssen. Sie war es leid, in diesem düsteren Haus zu leben, dessen Wände nie ein Lachen hörten. Ihr Vater war im vergangenen Jahr gestorben, sodass sie sich an den Pakt zwischen ihm und Auguste nicht mehr gebunden fühlte. Keinen Augenblick dachte sie an die möglichen Folgen, an die lange Reise, die Gefahren, Folter und qualvollen Tod. Mit einem Ärmel wischte sie das Blut von ihrem Mund, holte schnell zwei Satteltaschen und packte in die eine die wichtigsten Habseligkeiten – zwei wollene Gewänder, eine Decke, lederne Stiefel, zwei Sekel Seife, ein langes Messer und einen Kamm. Dazu drei Flaschen Wein, harten Käse, weiches Brot, einige Äpfel und einen fetten Schinken. Dann ging sie hinüber zu der verzinkten Lade und nahm sämtliche Geldbeutel heraus, die sie mit ihrem Geschmeide in der zweiten Satteltasche verstaute. Das sollte für die Reise reichen!
    Im Stall wartete ihr einziger Freund. Giacomo, ein mächtiger Rappe, schnaubte, als er

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