Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
Vom Netzwerk:
Schemen zu erkennen, der da durch die Nacht schlich. Seine Opfer waren arglos. Sie plauderten und lachten. Als der eine von ihnen seine Hose öffnete, um seine Blase an der Wand des Palastes zu leeren, schlug Amicus zu. Wie eine Raubkatze sprang er auf ihn los, rammte ihm ein Messer in die Kehle und warf dem anderen ein Messer in den Nacken. Er winkte Raphael und Jeanne zu. Ohne zu zögern, liefen sie im Schutz der Mauern zu ihm. Amicus half Jeanne in den Sattel, schwang sich auf Raphaels Pferd und half dem Mönch beim Aufsteigen. »Zum Osttor«, wisperte Raphael Amicus zu.
    Plötzlich klappte hoch über ihnen im Palast ein Fenster auf. Raphael sah den Helm eines Ritters blitzen. Und schon brach ein Donnerwetter los. Der Mann schrie sich die Seele aus dem Leib. Irgendwo schlugen Türen auf, und schwer bewaffnete Ritter strömten auf den Platz. Sie erblickten die Flüchtenden und warfen Lanzen hinter ihnen her, die ihr Ziel nur knapp verfehlten. Amicus schlug Giacomo kräftig auf das Hinterteil. Raphael rief er zu, er solle sich gut festhalten, dann trat er dem Pferd so kräftig in die Flanken, dass es wiehernd einen Satz nach vorn machte. Doch schnell gewann er die Herrschaft über das Tier.
    In schnellem Galopp ging es durch die Stadt. Hinter einer Mauer versperrte ihnen ein einzelner Ritter den Weg. Noch bevor er mit seinem Schwert zum Schlag ausholen konnte, traf Amicus’ Fuß dessen Helm.
    Der Weg zum Osttor war frei. Der Anblick der wilden Reiter löste bei den Torwachen Entsetzen aus. Sie versuchten noch, die schweren Tore zu schließen, aber Giacomo war schneller. Er stieß die Männer mit seinem Körper zur Seite, und Amicus versetzte ihnen noch zusätzlich einen Tritt.
    An der Mühle fanden sie wieder zusammen. Raphaels Herz raste noch immer wie das eines wilden Stiers in der Arena. »Wir sollten hier nicht lang verweilen«, sagte er mit einem Blick zurück.
    Luna und Pierre ritten ihnen entgegen. Amicus sprang von Raphaels Pferd und stieg auf sein eigenes.
    »Wir brechen sogleich auf«, sagte Luna.
    »Wohin?«, fragte Jeanne.
    »Wir müssen nach Montpellier«, antwortete Luna. »Zuerst jedoch reisen wir nach Nîmes. Wir werden in zwei Tagen dort eintreffen.«
    Jeanne stutzte. »Wieso nach Montpellier? Und was haben wir in Nîmes verloren?«
    »Ich kann nicht sehen, was wir dort zu tun haben«, gab Luna zu. »Doch sehe ich, dass wir diesen Weg gehen müssen.«
    Jeanne zuckte mit den Schultern. »Montpellier soll eine schöne Stadt sein. Worauf warten wir?«
    Sie nahmen die Zügel und verließen Avignon so schnell ihre Pferde sie tragen konnten.

Zweiter Teil
Das große Sterben
Mach dir nicht länger Hoffnungen, das gottverhängte
Schicksal durch Bitten abwenden zu können.
Vergilius, Aeneis 6. 376

Die Gabe
    D en Pesthauch bemerkten sie schon aus der Ferne. Anfangs umwehte er noch leicht ihre Nasen, vor den Toren der Stadt jedoch wütete er wie ein Orkan. Der Tod hielt reiche Ernte an diesem Ort. Um die bösen Erfahrungen in Avignon reicher, hatten die Reisenden bei einem Bader Rosenöl erworben. Mit diesem benetzten sie nun ihre Tücher und bedeckten damit Nase und Mund. Derart gewappnet gingen sie in die Stadt Nîmes.
    Es war heiß und in den Straßen hing der Staub. Nur ganz wenige Menschen waren unterwegs. Einige Händler und Bauern trieben ihre Fuhrwerke von den Märkten. Offenbar war hier die Panik, die in Avignon geherrscht hatte, längst abgeebbt. Die Bürger, die in der Stadt geblieben waren, waren entweder zu arm oder zu krank, um die Flucht zu ergreifen.
    Fragend blickte Raphael zu Luna. Die schüttelte traurig den Kopf. Er biss die Zähne zusammen. Es war unmöglich, den Menschen hier zu helfen.
    »Ich brauche neue Kleider«, sagte Raphael.
    »Was habt Ihr vor?«, fragte Jeanne Gousset.
    »Ich darf nicht länger in meinem Habit reisen«, antwortete Raphael. »Ich bringe uns alle in Gefahr. Beten wir, dass der Schneider noch lebt.«
    »Er lebt«, sagte Luna. »Es ist nicht weit. Folgt mir.«
    Wieder diese starke Sicherheit in Lunas Worten. Raphael lächelte. Ein Narr, wer sich nicht aus Liebe zu ihr das Herz herausreißen ließe.
    Der Schneider war schnell gefunden. Er führte Raphaels Wunsch sogleich aus.
    Im Handumdrehen entstanden auf dem Schneidetisch eine braune Hose und eine graue Gugel, eine an einem breiten Schulterkragen befestigte Kapuze. Darunter konnte er in den kommenden Wochen seine Tonsur verbergen. Ein Paar geschnürte Halbstiefel fanden sich auch.
    Er kleidete sich an und trat

Weitere Kostenlose Bücher