Hexengericht
Augenblicken werden fünf Ritter erscheinen. Wir können nicht zusammen den Platz überqueren.«
In diesem Augenblick ertönte Hufgetrappel. Tatsächlich ritten fünf Reiter auf den Platz und machten am Brunnen Halt. Die Leute rannten bei ihrem Anblick fort, und die Ritter lachten und riefen ihnen hämische Worte hinterher. Dann warfen sie einen Eimer in den Brunnen, zogen ihn hoch und tranken gierig das Wasser.
»Seht ihr die alte Schmiede?«, fragte Luna.
Raphael beugte sich vor. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes lag die Schmiede. Er zog den Kopf zurück und nickte. »Wie sollen wir es bis dorthin schaffen?«
Luna lächelte. »Wartet nur ab«, sagte sie. »Auf mein Zeichen laufen zwei von uns hinüber zur Schmiede. Lauft, als wäre der Teufel hinter euch her. Raphael und Jeanne machen den Anfang.«
Raphael und Jeanne machten sich bereit. Sie richteten ihre Augen auf Luna. Deren Augen waren wieder fest geschlossen. Sie hob eine Hand.
Plötzlich stob irgendwo über den Dächern eine Schar Tauben davon.
Luna senkte die Hand. »Lauft! Lauft! Lauft!«
Raphael ergriff Jeannes Hand, und sie stürmten davon. Die Aufmerksamkeit der Ritter war auf die Tauben gerichtet, und noch bevor sie sich wieder dem Platz zuwandten, waren Raphael und Jeanne in der Schmiede verschwunden.
»Jetzt ihr«, sagte Luna zu Pierre und Amicus.
»Ich lasse Euch auf keinen Fall allein«, protestierte Pierre.
Luna wollte ihm etwas entgegnen, aber Amicus fuhr dazwischen. » Ich bleibe bei ihr«, sagte er. »Geh du allein.«
Pierre wollte protestieren, aber schließlich fügte er sich.
»Auf mein Zeichen«, sagte Luna, hob eine Hand und schloss die Augen.
Pierre machte sich bereit. Er nickte Amicus kurz zu.
Da fiel in einem Haus am anderen Ende des Platzes irgendetwas krachend zu Boden.
Luna ließ ihre Hand sinken. »Lauf, Pierre! Lauf!«
Die Ritter hoben ihre Lanzen und gingen langsam auf das Haus zu.
Pierre lief, als säße ihm der schwarze Tod im Nacken. Beim Brunnen strauchelte er jedoch und fiel vor einem der Pferde in den Staub. Das Ross wieherte und schlug aus.
Noch bevor er wieder auf die Beine kam, entdeckten ihn die Ritter. Die fünf schwer bewaffneten Männer machten unverzüglich kehrt und liefen auf ihn zu.
»Verdammt!«, sagte Amicus. Er holte tief Luft, rannte wie ein Stier auf den Platz und warf seine Messer gegen die Feinde. Zwei Ritter fielen tödlich getroffen zu Boden, noch ehe sie begriffen, was geschah. Der dritte sah Amicus zwar noch, doch steckte auch in seinem Hals einen Herzschlag später ein Messer. Die beiden anderen Ritter näherten sich von zwei Seiten dem unbekannten Messerwerfer und stießen dabei ihre Lanzen gegen ihn.
Aber Amicus war nicht nur ein Meister der Messer. Er steckte eine der Klingen zurück in seinen Gürtel, nahm die zweite zwischen die Zähne und versuchte mit der freien Hand nach einer Lanze zu fassen. Bald hielt er das Ende der Waffe unterhalb der Spitze fest umklammert. Er machte einen schnellen Schritt nach vorn, klemmte sich die Lanze unter den Arm und trieb den Angreifer in Richtung Brunnen. Der Ritter versuchte dagegenzuhalten, doch Amicus stieß ihn kopfüber in den Brunnen.
Der fünfte Ritter war schreckensstarr. Und diesen Moment nutzte Amicus, um auch ihm ein Messer in den Hals zu bohren.
Luna und Pierre liefen zu Amicus und zogen ihn mit sich in die Schmiede, gerade noch rechtzeitig, bevor ein Dutzend Reiter auf den Platz ritten. Staubfontänen spritzten von den Hufen auf. Die Männer sprangen aus dem Sattel und liefen zu ihren toten Kameraden. Als sie feststellten, dass sie ihnen nicht mehr helfen konnten, begannen sie, die umliegenden Häuser zu durchsuchen.
»Jetzt ist alles aus«, flüsterte Pierre.
»Gar nichts ist aus!«, wies Amicus Pierre zurecht. »Mit denen werde ich auch noch fertig.«
»Ruhig!«, zischte Luna.
Durch einen Spalt in der Wand konnte Raphael beobachten, wie die Ritter ein Haus nach dem anderen durchstöberten. Ein Schrei war zu hören, danach ein Schlag. Dann herrschte wieder Ruhe.
Schließlich hatten sie alle Häuser durchsucht, nur die Schmiede fehlte noch. Drei Ritter gingen auf das alte Gemäuer zu. Ihre Gesichter waren unter den Helmen nicht zu erkennen, ihre Schwerter blitzten hell in der abendlichen Sonne. Einer der Männer ging um das Gebäude herum. Ein anderer versuchte, durch die Schlitze in den Fensterläden in das Innere zu spähen. Der dritte strebte auf die Tür zu und öffnete sie einen Spaltbreit. Hätte er nur
Weitere Kostenlose Bücher