Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
Vom Netzwerk:
ein wenig beschämt zu seinen Freunden. »Erkennt ihr mich wieder?«
    Und auch wenn um sie herum der Tod wütete, mussten Raphaels vier Begleiter lachen.
    »Reiten wir weiter?«, fragte Raphael und schaute zu Luna.
    »Nein«, antwortete diese. »Ich schlage vor, wir nehmen ein reichliches Mahl zu uns, bevor wir uns auf den Weg machen.«
    »Das hört sich gut an!«, rief Amicus.
    »Unweit der Kirche ist ein Wirtshaus«, fügte Luna hinzu. Wie gewohnt übernahm sie die Führung.
    Wenig später hielt Luna unvermittelt inne. Sie gab Pierre die Zügel ihres Pferdes und ging zu Raphael. »Die Satteltaschen mit den Münzen«, sagte sie. »Steck sie in den Spalt.« Sie zeigte auf die verwitterte graue Hauswand vor ihnen. Auf Kniehöhe waren einige Steine herausgebrochen. Dahinter war nichts zu sehen außer Dunkelheit. Raphael dachte kurz nach. Luna wusste genau, was sie tat. Er nahm seinem Pferd die Taschen ab, gab Jeanne mit einem Nicken zu verstehen, dass alles in Ordnung war, und stopfte die Taschen in den Spalt.
    »Gut«, sagte Luna. »Weiter. Ich habe großen Hunger.«
    Das Wirtshaus wirkte ebenso ausgestorben wie die Stadt. Außer dem Wirt, seiner Frau und einem volltrunkenen Mann war keine Seele dort.
    Die Bestellung war schnell aufgegeben, das Mahl eilig serviert.
    »Was machen wir in Montpellier?«, fragte Amicus.
    Luna schien die Frage unangenehm zu sein. »Ich weiß es nicht«, sagte sie.
    »Seltsam«, brummte Amicus. »Du wusstest doch bisher alles.« Leichter Spott klang in seiner Stimme mit.
    »Ich weiß nur, dass wir nach Montpellier müssen«, erwiderte Luna.
    »Hm«, machte Amicus und leerte seinen Bierkrug.
    Raphael lehnte sich zu Luna hinüber. »Geht es dir gut, mein Kind?«, flüsterte er.
    »Ja«, flüsterte Luna zurück.
    »Aber?«
    Luna presste die Lippen aufeinander. »Ich verliere meine Gabe.«
    »Was?«, entfuhr es Raphael, doch sofort senkte er seine Stimme wieder. »Wie konnte das geschehen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich sehe nur Montpellier. Es ist lebenswichtig, dass wir dorthin gelangen. Aber was dort geschehen wird und warum, kann ich nicht sehen. Alles liegt in grauem Dunst.«
    Fieberhaft dachte Raphael nach. Welchen Grund mochte es geben, dass Luna ihre Fähigkeit verlor? Wollte der Herr allein die Führung übernehmen? Die Wege des Herrn waren unergründlich. »Hast du Angst?«, fragte er.
    »Ein wenig«, gab Luna zu.
    Raphael lächelte sie an. »Hab Vertrauen zu Gott, unserem Vater, mein Kind. Wenn deine Augen versagen, werden Seine uns sicher führen.«
    Luna nickte.
    »Reiten wir weiter?«, fragte Jeanne.
    »Noch nicht«, sagte Luna.
    »Warum nicht?«, wollte Amicus wissen.
    »Wir warten«, antwortete Luna. Ihre Stimme klang wieder entschlossen.
    So warteten sie. Die Sonne zog langsam über die Dächer von Nîmes hinweg. Im Wirtshaus wurde es immer stickiger. Die Gefährten leerten Bierkrug um Bierkrug.
    Plötzlich sprang Luna auf. »Es geht los«, sagte sie.
    In diesem Moment preschte eine Horde Deutschordensritter am Wirtshaus vorbei. Ihnen voran ritt ein dunkler Mönch im Habit der Dominikaner. Drei Reiter scherten aus dem Tross aus und stiegen vor dem Wirtshaus von ihren Pferden.
    »Hinten hinaus!« Sie rannte an dem verdutzten Wirt vorbei in den hinteren Bereich des Hauses. Die anderen folgten ihr.
    Amicus drückte dem Wirt schnell drei Goldmünzen in die Hand. »Für die Zeche«, flüsterte er. »Und dafür, dass du uns nie gesehen hast.« Er wies auf seine funkelnden Messer. Der Mann nickte schnell, und Amicus rannte seinen Freunden hinterher.
    Luna lehnte an der Wand. »Wartet.«
    Pierre blickte sie angstvoll an, und Raphael legte ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter.
    »Wartet«, wiederholte Luna.
    Jeanne raffte ihr Kleid hoch.
    »Wartet.«
    Von seinem Gürtel nahm Amicus sechs Messer. Drei für jede Hand.
    »Wartet.« Luna war die Ruhe selbst. Die Augen hielt sie geschlossen. »Jetzt!«, rief sie und rannte los.
    Die anderen folgten ihr über die Straße. Raphael sah gerade noch, dass die drei Ritter in das Wirtshaus gingen. Am Ende der Straße tauchten weitere Reiter auf. Im letzten Augenblick sprang Raphael hinter die Wand eines alten Hauses, dessen Balken morsch waren und nach Fäulnis stanken.
    Quer durch mehrere Obst- und Gemüsegärten führte Luna ihre Freunde zu einem ausgestorben wirkenden Platz. Nur drei Männer und eine Frau waren zu sehen, die am Brunnen in der Mitte des Platzes miteinander schwatzten.
    »Hört mir zu«, flüsterte Luna. »In wenigen

Weitere Kostenlose Bücher