Hexengift
um zu bekommen, was immer sie wollen, wird schnell langweilig. Ein bisschen Herausforderung macht das Leben nun mal interessanter. Vielleicht sollten Sie es einmal mit Spielen versuchen. Andererseits … wahrscheinlich würden auch da alle Sie gewinnen lassen, nur um Ihnen zu gefallen.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie mich gewinnen lassen würden, um mir zu gefallen«, entgegnete Joshua lächelnd.
»Wenn ich spiele, dann so gut und unerbittlich, wie ich kann«, stimmte sie ihm zu.
»Spielen Sie jetzt mit mir ?«, fragte Joshua in einem Tonfall, als wäre die Antwort auf diese Frage sehr wichtig für ihn.
»Ich bin nicht gerade eine Hedonistin, Joshua, aber ich bin den körperlichen Freuden auch nicht abgeneigt, und … nun, ich habe schon mit einigen Männern und auch ein paar Frauen geschlafen, sogar mit einem Inkubus - aber das ist eine andere Geschichte -, und es heißt, dass Sex mit einem Liebesflüsterer eine Erfahrung ist, an die nichts auch nur im Entferntesten heranreicht.«
»Laut der alten Legenden ist es danach mit jeglicher Form von ›normaler‹ Liebe für immer vorbei«, sagte Joshua. »Wer einmal von einem Ganconer verführt wurde, siecht dahin bis an sein Lebensende, nachdem er unweigerlich verlassen wurde. Aber Sie scheinen mir dem Siechtum nicht besonders zugeneigt.«
»Den meisten Männern, die sich in mich verlieben, breche ich nicht das Herz, ich pulverisiere es. Also geben Sie auf
sich acht, Joshua Kindler.« Habe ich da gerade vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen? Findet er mich wirklich so unwiderstehlich? Der Kerl war immerhin ein Liebesflüsterer, er konnte jeden haben. Wie kam sie eigentlich auf die Idee, dass sie für ihn mehr sein könnte als nur ein vorübergehender Zeitvertreib?
Aber Joshua nickte nur. Er schien immer noch erstaunlich ernst und sagte: »Registriert. Sicher kennen Sie das Phänomen, dass reiche Menschen sich oft fragen, ob sie wirklich um ihrer selbst willen geliebt werden, oder ob in Wahrheit nicht alle, die ihnen den Hof machen, einzig und allein scharf auf ihr Geld sind.«
»Klar«, sagte Marla. Sie hatte so ein Gefühl, wo das hinführen würde, und ihr war nicht besonders wohl dabei.
»Nun, dann können Sie sich vielleicht auch vorstellen, wie sich das alles für mich anfühlt. Ich kann mir nie sicher sein, dass jemand mich um meiner selbst willen liebt. Die meisten Menschen merken nicht einmal, dass ich überhaupt so etwas wie ein ›Selbst‹ habe. Für sie bin ich nur … eine Projektionsfläche. Ein Duft, ein Geschmack, eine Berührung, eine Phantasie, etwas, das sie anbeten, weil es meine Natur ist, angebetet zu werden. Sie nehmen mich überhaupt nicht als Mensch wahr. Aber ich bin ein Mensch, Marla, und es kann einen sehr einsam machen, wenn man von allen geliebt wird. Manchmal frage ich mich, ob es eine Möglichkeit gibt, diese angeborene Magie abzulegen und so zu werden, wie alle sind.« Er machte eine kurze Pause. »Aber dann fällt mir wieder ein, wie sehr ich auf Oralsex und Kaviar zu jeder denkbaren Tages- und Nachtzeit stehe, und ich füge mich in mein Schicksal.«
Marla lachte. »Joshua, Sie machen wohl Witze.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Manchmal schaffe ich es sogar, mich selbst zu überraschen.«
Die Limousine blieb vor ihrem Haus stehen, und Marla drückte auf den Knopf der Fahrersprechanlage: »Bleiben Sie ruhig im Warmen sitzen, wir kommen schon zurecht.« Sie öffnete die Tür und trat hinaus auf den Gehsteig, Joshua glitt elegant über die ledernen Rücksitze und stieg ebenfalls aus.
Die Limousine fuhr davon, ein schwarzer Schatten, den die kalte Nacht verschlang. Joshua blickte nach oben, auf das Haus, in dem Marla wohnte. Auch Marla betrachtete es mit neuen Augen, so, wie er es vermutlich sah: ein heruntergekommenes, ehemaliges Bordell, das eigentlich abgerissen gehörte. Aber sie liebte dieses Haus nun einmal. Marla deutete nach oben und sagte: »Sehen Sie die Wasserspeier dort oben auf dem Dach? Das sind Replikate berühmter Vorbilder, von Notre-Dame und der Duke University und so weiter. Nur einer davon ist ein Original, der da links drüben, der aussieht wie eine Eidechse mit einem Hahnenkamm auf dem Kopf. Die Wasserspeier waren das Erste, was mir an diesem Haus aufgefallen ist. Ich habe mir die alten Baupläne angesehen, aber auf denen ist kein einziger Hinweis auf derlei architektonische Verzierungen zu sehen. Jemand muss sie also nachträglich dort angebracht haben, aber ich habe keine Ahnung, wer -
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