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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ersten Mal auf dieser Strecke unterwegs. Zum Glück dauert die Messe lange genug. Oft werden gerade gegen Ende hin die besten Abschlüsse erreicht.« Ganz so zuversichtlich war Magdalena jedoch nicht. Insgeheim kämpfte sie auch mit dem Gefühl, nicht so recht von der Stelle zu kommen. Von Tag zu Tag vergrößerte sich Erics Vorsprung, dabei brannte sie darauf, ihn einzuholen und zur Rede zu stellen.
    »Wenn ich wie du von klein auf an das rastlose Umherziehen gewöhnt wäre, fiele es mir gewiss leichter, das zu ertragen.« Adelaide legte die Stirn in Falten. »Diese Enge zwischen all den gestapelten Kisten, Körben und Säcken ist kaum auszuhalten. Du empfindest das wahrscheinlich als heimelig, weil es dich an deine Kindheit erinnert.«
    »Ja, ich liebe es«, erwiderte Magdalena schlicht und musterte gedankenverloren die Berge von Gepäck. »Für mich war das lange Zeit die einzig wahre Art zu leben. Es war zwar nicht immer ungefährlich, aber ich habe dabei vieles gelernt, was ich bis heute nicht missen möchte.«
    »So?« Zweifelnd zog Adelaide die Augenbraue hoch. »Was denn zum Beispiel?«
    »Das Glück des Augenblicks zu leben etwa«, antwortete Magdalena prompt. »Weil niemand weiß, was als Nächstes geschieht, zählt nur das, was gerade passiert.« Sie lächelte still in sich hinein. Es stimmte: Allein der Augenblick zählte – das hatte sie damals begriffen und über all die satten Jahre in Frankfurt leider vergessen. Die Tage in jenem Freiburger Sommer vor vierzehn Jahren kamen ihr in den Sinn. Damals hatte sie ihre Liebe zu Eric entdeckt und in vollen Zügen genossen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob ihre Liebe eine Zukunft hatte oder nicht. Ihr Blick fiel auf Carlotta, die Frucht jener unbeschwerten Wochen. Versonnen strich sie über das rotblonde Haar des Mädchens und sah durch die halbrunde Öffnung der Plane nach vorn.
    Der massige Schädel und die breiten Schultern Gustavs schränkten ihr Blickfeld ein. Der Fuhrmann hockte, die Ellbogen auf die Knie gestützt, auf dem Kutschbock und kaute im Mundwinkel einen Haselnusszweig. Gelegentlich spuckte er aus oder zog energisch an den Zügeln, um die beiden vor Schweiß glänzenden Zugochsen auf den Weg zurückzulenken. Drohend schwang er die Peitsche über die schweren Köpfe der Tiere und spornte sie zu schnellerem Gang an. Nicht weit vor ihnen ritten zwei der schwer bewaffneten Begleiter sowie einer der Kaufleute. Der zweite mit Waren hoch beladene Fuhrwagen folgte dicht hinter ihnen. Flankiert wurden sie rechts und links von je einem Kaufmann. Den Abschluss der Gruppe bildeten die beiden übrigen Kaufleute sowie zwei weitere bewaffnete Reiter.
    »Dem allem kann ich nichts abgewinnen«, knüpfte Adelaide an Magdalenas Worte an und zog die Augenbrauen hoch. »Den einen oder anderen schönen Moment mag es geben, aber angesichts dessen, was uns noch alles an Schwierigkeiten auf der Reise bevorsteht, und der Unsicherheit, ob wir schnell genug vorwärtskommen, ob wir überfallen werden, was uns am Ende in Königsberg erwartet, kann ich an dem ständigen Gerumpel nichts Gutes finden.«
    »Sei doch einfach dankbar, dass bisher alles so glatt gelaufen ist«, ermunterte Magdalena sie. »Dank Doktor Petersens Vermittlung haben wir schnell Anschluss an eine vertrauenswürdige Reisegruppe gefunden, und bald werden wir wohlbehalten in Leipzig anlangen. Damit liegt ein ansehnlicher Teil des Wegs hinter uns. Hab Vertrauen in das Schicksal, Adelaide. Auch der Rest wird sich finden. Du darfst nicht ständig daran denken, was schiefgehen könnte. Irgendwie richtet sich am Ende doch wieder alles zum Guten.«
    »So wie für den guten Petersen.« Adelaide lachte auf. »Für ihn war es beileibe kein Nachteil, uns an die Kaufleute vermittelt zu haben. Die Rezepturen, die du ihm nebst der wertvollen Salbe als Gegenleistung überlassen hast, sind nicht mit Gold aufzuwiegen. Ganz zu schweigen davon, dass wir ihm einen Großteil unseres Besitzes anvertraut haben. Ich hoffe, er macht ihn nicht vorschnell zu Geld. Schlimm genug, dass ich meinen kostbaren Ehering bei Finkelstein versetzen musste. Damit ist mir aus der Ehe mit Vinzent nichts Wertvolles mehr geblieben.«
    Sie versank in einer neuerlichen Welle des Selbstmitleids. Tränen rannen über ihre blassen Wangen. Magdalena wandte sich ab und konzentrierte sich ganz auf den Blick über Carlottas Schultern hinweg nach vorn. Stunde um Stunde sah sie die Landschaft draußen vorüberziehen. Der Frühling zeigte sich

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