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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schlenderte ein Mann mit Gewehr heran, rief dem Hund etwas zu, blieb dann einige Schritte von ihnen entfernt stehen und beobachtete sie aufmerksam. Die Fuhrleute grüßten ihn mit einem knappen Nicken. Das genügte ihm offenbar als Beweis friedlicher Absichten. Schon machte er wieder kehrt, tätschelte dem Hund den Kopf und verschwand im Halbdunkel des Unterstands.
    Weder die Fuhrleute noch Pohlmann und seine Damen verließen die Wagen. Die bewaffneten Begleiter zogen es ebenfalls vor, auf ihren Rössern auszuharren, bis alles geklärt war. Mathias, Rudolf, Adelaide und Magdalena standen verloren zwischen den Fuhrwerken herum. Schon torkelte Mathias heran, doch Carlotta wich ihm aus. »Lass mich«, zischte sie und wandte sich dem Gasthaus zu.
    Wie das verlassene Geisterhaus an der Waldlichtung verfügte auch dieses Gebäude lediglich über ein Geschoss. Vermutlich befanden sich die Gästezimmer direkt unter dem hohen Dach. Mehrere winzige Luken waren darin eingelassen und dienten als Fenster. Zwischen den Öffnungen flatterten Tauben. »Sssssieh ddddie Ttttauben turteln!« Mathias klang zunächst etwas lallend, dann beherrschte er seine Zunge wieder. Dicker Branntweinatem kitzelte unangenehm in ihrem Nacken. Erzürnt fuhr sie herum. »Scher dich fort!« Sie hob die Hand, um ihn zu schlagen. Seine Sinne aber funktionierten erstaunlich gut. Blitzschnell griff er nach ihrem Handgelenk und drückte fest zu. »Aua!«, entfuhr es ihr. Sie sackte in die Knie. Hilflos blickte sie zu ihrer Mutter und zu Tante Adelaide. Die beiden Frauen aber waren mit sich beschäftigt.
    »Heute Nacht drüben bei den Wagen«, flüsterte Mathias ihr zu. Sein Lallen war ganz verflogen. Macht über sie zu haben verlieh ihm ungeahnte Kräfte.
    »Wie käme ich dazu?«, gab sie zurück und mühte sich weiter, seinem Griff zu entkommen.
    Er warf ihr einen höhnischen Blick zu, dann sagte er langsam, wobei er jede Silbe betonte: »Vergiss nicht, ich kenne eure Kontorbücher in- und auswendig. Du willst doch wohl kaum, dass dein Vater in Königsberg als Betrüger dasteht, oder?«
    »Wie kannst du es wagen!« Ruckartig entriss sie sich ihm. Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter. Da war ihr klar, wie sinnlos ihr Aufbegehren war. Keinen Deut gab er auf die Ehrverpflichtung eines Lehrlings, sehr viel aber lag ihm daran, sie zu besitzen. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen.
    »Also gut«, lenkte sie vorerst ein. »Heute Nacht drüben beim Unterstand. Sorg dafür, dass der Hund nicht anschlägt.«
    »Das muss dich nicht kümmern.« Er ließ sie los, steckte die Hände lässig in die Hosentaschen und schlenderte mit triumphierendem Gesichtsausdruck zu Rudolf. Als wollte der ihm Anerkennung zollen, schlug er ihm auf die Schulter. Sogleich setzte Mathias abermals den Branntweinschlauch an den Mund. Carlotta flüchtete auf die andere Seite des Wagens.
    Inzwischen war die Sonne vollends hinter den Baumspitzen des Waldes versunken. Ein letzter Streif goldenen Lichts zog sich am Horizont entlang, wurde rasch schmaler und verschwand schließlich ganz. Schon lösten sich die Farben am Himmel und auf Erden in den mannigfaltigsten Grautönen auf. Die Versuchung war groß, in den düsteren Wald zurückzulaufen, in der aufziehenden Schwärze einfach zu verschwinden. Schon setzte Carlotta den ersten Schritt westwärts. Wie aus dem Nichts trat die Tante ihr in den Weg und lächelte sie an. Carlotta wandte sich ab.
    »Wir haben großes Glück!« Federnden Schrittes trat Helmbrecht aus dem Gasthaus und schwenkte seinen breitkrempigen Hut über dem Kopf. »Wenigstens für unsere Damen gibt es noch zwei geräumige Gemächer im Haus. Wir Herren aber«, damit winkte er zu Pohlmann, der entsetzt unter der Plane seines Wagens hervorsah, »werden mit der Scheune vorliebnehmen müssen. Die anderen Kammern sind leider sämtlich belegt.«
    »Das wird eine Freude!«, murmelte die Tante, raffte den Rock und marschierte zum Gasthaus. Fröhlich gestimmt setzte Helmbrecht den Hut auf und ging zu Pohlmanns Wagen hinüber. »Keine Sorge, mein Lieber. Der Wirt lässt noch frisches Heu aufschütten und ordentliches Bettzeug bringen. Auch wenn Ihr für diese Nacht mit einem simplen Verschlag vorliebnehmen müsst, wird es Euch an nichts mangeln.«
    »Besser als das Geisterhaus vorhin wird es allemal sein.« Die Mutter des Kaufmanns schob sich an ihrem Sohn vorbei. Ihre Schwiegertochter folgte ihr mit trippelnden Schritten. Pohlmann selbst blieb nichts anderes, als zustimmend

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