Hexengold
von den Gedanken um Mathias. Noch immer war ihr nicht eingefallen, wie sie der widerlichen Verabredung entgehen konnte, ohne den schmählichen Verrat am Vater herauszufordern. Indes schmunzelte die Mutter in sich hinein, während sie der Alten ein Pflaster aus Kamille, Lavendel und zwei Tropfen Rosenöl auflegte.
»Ein Bad, mitten in der Woche!« Es ließ der alten Pohlmännin keine Ruhe. »Und dann auch noch zu so später Stunde. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass das gut sein soll.«
»Ich werde es genießen«, verkündete die Tante mit ihrer dunklen Stimme. Kaum konnte sie abwarten, bis der letzte Eimer Wasser eingefüllt war. Schon ließ sie das schwarze Gewand von den Schultern gleiten.
Erschrocken schlug die junge Wirtshausmagd die Hand vor den Mund und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den schlanken Körper in dem durchscheinenden Hemd. Die Wirtin lief puterrot vor Scham an. »Verzeiht, Herrin«, murmelte die rundliche Frau und senkte den Blick. Gleichzeitig fasste sie nach dem Arm ihrer Magd und zog das Mädchen, ohne noch einmal den Blick zu heben, mit sich aus der Dachkammer.
Das störte die Tante ebenso wenig wie der Tadel der alten Pohlmännin. Inzwischen hatte Adelaide sich auch ihres Unterkleids entledigt und stand splitterfasernackt mitten im Raum. Aufreizend stemmte sie die Hände in die Hüften und drehte sich hin und her, rückte dabei näher vor die dürre Alte. Das offene, schwarze Haar fiel ihr lang und seidig über den Rücken. Der Mund der Alten klappte auf und zu wie bei einem hungrigen Fisch. Die schwarzen Augen der Tante funkelten belustigt.
»Du solltest rasch in den Zuber steigen, sonst wird das Wasser kalt«, sagte die Mutter trocken. Behutsam drehte sie das Gesicht der Frau Pohlmann am Kinn zu sich und tat so, als könnte sie sich so besser um die zerstochene Hand der Alten kümmern. Adelaide indes räkelte sich noch einmal, bevor sie dicht an Carlotta vorbei zum Zuber trat. Durch die Dachluke fiel das zaghafte Mondlicht herein. Inzwischen blakten die Flammen mehrerer Talglampen.
Carlotta hielt den Atem an, als ihr Blick über den Rücken ihrer Tante glitt. Das schummerige Licht betonte die alabasterweiße Haut. Makellos rein erstrahlte sie. Verwirrt suchte sie nach dem verräterischen Mal. Hatte sie sich getäuscht? Es war nicht zu sehen. Die Haare verdeckten es.
Mit wenigen Schritten ging Adelaide zum Tisch, griff gezielt nach der Phiole mit dem kostbaren Rosenöl aus der Wundarztkiste der Mutter und träufelte davon ins dampfende Badewasser. Sofort erfüllte der angenehme Rosenduft die stickige Kammer.
»Denkt Ihr nicht, dass ein solches Bad für jede Frau eine Wohltat wäre?« Lächelnd sah die Tante von einer zur anderen und stieg bedächtig in den Trog. Als sie mit dem straffen Gesäß ins heiße Wasser glitt, entfuhr ihr ein seufzendes »Ah«. Erst als der Rücken ganz von dem Holzbottich verdeckt war, raffte sie das Haar nach oben und ließ es über den Rand hängen. »Nach den Strapazen der unbequemen Reise schenkt es nicht nur Entspannung. Genießt den Duft, meine Lieben. Das schmeichelt der Haut!« Abermals räkelte sie sich und schüttelte das lange Haar über den Rand des Bottichs.
Carlotta konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Sie musste mehr sehen, musste das Mal entdecken. Die Mutter warf ihr einen mahnenden Blick zu. Sie hatte wohl begriffen, worum es ihr zu tun war. Rasch senkte Carlotta den Blick.
»Ich ziehe es vor, mich mit einer Suppe von innen zu stärken.« Sobald das Pflaster aufgelegt und die Hand verbunden war, erhob sich die alte Pohlmännin von ihrem Schemel. Als sie zur Tür ging, würdigte sie Adelaide keines Blicks. Die Hand auf der Klinke, drehte sie sich allerdings noch einmal um. Zuerst schaute sie Carlotta, dann die Mutter eindringlich an. »Solche Bäder sind alles andere als christliche Gewohnheiten.«
Adelaides schrilles Auflachen ließ sie erstarren.
12
In der Schankstube herrschte ausgelassene Stimmung. Außer den drei Fuhrleuten, den sechs Bewaffneten sowie Pohlmann und Helmbrecht hatte sich noch ein halbes Dutzend Reisende aus einer anderen Gesellschaft eingefunden. Daneben hockte der Wirt mit den Bauersleuten aus dem Weiler um die drei langen Tische.
»Macht den Damen Platz!« Sobald er die eintretenden Frauen erblickte, sprang der Wirt diensteifrig von der Bank und säuberte die fleischigen Hände an dem Leintuch, das er vor den spitzen Bauch gebunden trug. Die Ärmel seines Hemdes waren aufgerollt, die rote Nase
Weitere Kostenlose Bücher