Hexengold
sorgen, und richtete sich zu voller Größe auf. »Die Wirtsleute haben uns hervorragend aufgetischt. Außerdem waren sie bereit, uns zu später Stunde noch ihre letzten Kammern und Schlafplätze zur Verfügung zu stellen. Dafür gebührt ihnen großer Dank. Wenn es in ihrem Gasthaus üblich ist, dass nicht gespielt oder getanzt wird, werden wir das hinnehmen. Schickt euch also in die häuslichen Sitten und gebt Ruhe.«
Anerkennend klopfte Pohlmann auf den Tisch, seine Mutter und die junge Gemahlin nickten zustimmend. Zunächst hatte es den Anschein, als wollte einer der Fuhrleute aufbegehren, dann aber gab Helmbrecht ihm mit einem drohenden Blick zu verstehen, dass er das besser sein ließ.
»Seid nicht so miesepetrig, nur weil ihr einmal nicht rumhüpfen und würfeln dürft«, stimmte einer der Wachleute zu und wandte sich direkt an seine Kameraden. »Es gibt doch noch anderes, womit man sich gut unterhalten kann. Hat uns unser lieber Karl hier«, damit klopfte er dem Fuhrmann zu seiner Linken auf die Schulter, »nicht vorhin bewiesen, wie gut er Geschichten erzählen kann?« Seine trüben Augen blinzelten vergnügt in die Runde. »Mir ist«, fuhr er mit verschwörerischer Miene fort, »als zittere ich noch jetzt, so deutlich habe ich eben den Toten in der Buche hängen sehen und das Blut an den Händen des Wirts vor Augen gehabt. Also los, Karl, lass dich nicht lang bitten! Erzähl uns noch eine von deinen schaurig-schönen Märchen mit Wiedergängern und was der Teufel noch was! Es soll dein Schade nicht sein.« Damit beugte er sich vor, griff nach dem Weinkrug und goss seinem Banknachbarn den Becher randvoll. Gespannt sah er in die Runde. Er hatte sich nicht getäuscht: Alle in der Schankstube starrten auf ihn. Statt der erhofften Unterstützung aber stieß er auf eisiges Schweigen. Die Wirtsleute und die Dorfbewohner saßen wie versteinert. Magdalena fasste an ihren Bernstein und erhaschte einen Blick in Adelaides eisige schwarze Augen. Wie gebannt saugten die sich auf ihr fest.
»Was ist?«, wandte sich der Wachmann ein letztes Mal an die Gefährten. »Wollt ihr euch nicht mehr gruseln?« Seine Stimme klang unsicher. Fragend sah er zu Pohlmann und Helmbrecht. Auch die beiden wirkten ratlos.
»Wahr ist die Geschichte, das ist los«, platzte es aus Karl heraus. »Ihr habt es mir nicht glauben wollen. Fragt den Wirt oder die Wirtin. Sie werden es euch bestätigen.« Damit hob er den Becher an die Lippen und versteckte sein Gesicht dahinter, bis der Wein ausgetrunken war. Aufschnaufend setzte er den Becher wieder ab und wischte die Lippen.
Währenddessen hatte sich noch immer niemand bewegt. Es war, als stünden sie alle wieder vor dem unheimlichen Gasthaus mitten im Wald, die letzten Worte Karls deutlich in den Ohren. Die junge Pohlmännin krallte sich ängstlich an ihrer Schwiegermutter fest, ihr Mann starrte ins Leere. Magdalena sah zu Helmbrecht. Unverhohlen suchten seine geheimnisvollen Augen die Begegnung mit ihren. Er lächelte sie an. Eine eigenartige Wärme durchströmte sie. Wie gern hätte sie alles um sich herum vergessen und wäre ganz in diesem Blick versunken. Sie fühlte den honiggelben Stein in ihrer Hand. Die Wärme durchströmte sie. Genau dieses Gefühl war es, das auch Helmbrecht in diesem Augenblick in ihr auszulösen vermochte. Aufgewühlt biss sie sich auf die Lippen, schmeckte salzige Tränen auf den Wangen. Gleichzeitig war sie unfähig, sich von Helmbrechts Augen zu lösen.
Solche Gefühle auszulösen gebührte nur Eric. Nie hatte jemand anderes sie derart im Herzen berührt, berühren dürfen. Nicht einmal Rupprecht hatte sie eine solche Nähe zugestanden. Dabei hatte sie in jenen Jahren nach Erics Verschwinden aus dem Lager geglaubt, den geliebten Mann für immer verloren zu haben. Nun aber wusste sie ihn äußerst lebendig auf dem Weg, das Erbe ihres Vaters anzutreten.
Jäh war der innere Aufruhr wieder vorbei. Adelaides halb unterdrücktes Schnauben riss sie in die Wirklichkeit zurück. »Was soll das?«, fragte die Base empört. Magdalena zuckte zusammen und lief puterrot an. Hatte Adelaide gesehen, wie Helmbrecht ihren Blick gesucht hatte? Im nächsten Moment begriff sie, dass sich Adelaides Äußerung auf die Vorgänge in der Schankstube bezogen, und sie atmete auf.
Adelaide erhob ihre schöne, dunkle Stimme: »Ist es nicht vollkommen gleichgültig, ob die Geschichte wahr ist oder nicht? Gut war sie in jedem Fall. Los, Bursche, erzähl uns noch eine, bevor wir uns alle zur
Weitere Kostenlose Bücher