Hexengold
seltsamen Buchen, die von jetzt auf gleich in sich zusammengebrochen ist.«
»Eine der weit ausladenden Buchen soll zusammengefallen sein?« Ungläubig runzelte Magdalena die Stirn. Helmbrecht fühlte sich von ihrer Frage angespornt und meldete sich ebenfalls zu Wort. »Davon hätten wir doch Spuren gesehen. Wenigstens eine Lücke hätte bleiben müssen. Ganz dicht aber standen die Bäume.«
»Das ist es ja: Am nächsten Tag schon stand die Buche wieder da, als wäre nichts geschehen«, erwiderte der Wirt.
»Erzähl noch von den nächtlichen Besuchen und dass der Wirt seither Blut an den Händen gehabt hat«, mischte sich seine Frau ein. Auf einmal war es ihr sehr darum zu tun, das Schaurige an den Vorfällen hervorzuheben und jegliche Zweifel an den Merkwürdigkeiten auszuräumen, noch bevor sie angesprochen wurden. Dabei wandte sie sich direkt an Magdalena. »Die Wirtin hat die seltsamsten Sachen probiert. Schließlich kannte sie genug geheime Kräuter und Tinkturen. Eine weise Frau soll sie nämlich gewesen ein. Im Großen Krieg ist sie gar mit dem Tross der Kaiserlichen umhergezogen.« Sie setzte eine gewichtige Miene auf. Noch bevor Magdalena sich rühren konnte, ließ Adelaide ein betontes »Aha« vernehmen. Die alte Pohlmännin schaute verdutzt, während Helmbrecht weise lächelte. Unterdessen fuhr die Wirtin fort: »Aus der ganzen Gegend sind sie zu ihr gekommen, um sich von Krankheiten heilen oder ihre Wunden behandeln zu lassen. Auch deshalb war sie so beliebt. Selbst querliegende Kinder hat sie aus den Bäuchen der Frauen herausgeholt, ohne dass Mutter oder Kind Schaden genommen hätten. Und einmal gar ist es ihr gelungen, einen, der im Krampf schon sehr böse gezuckt hat, zurück ins Leben zu rufen.«
»Bleib bei der Wahrheit«, mahnte ihr Mann. Dieses Mal war es an ihm, die Hand warnend auf den Arm seiner Frau zu legen. Sie aber ließ sich davon ebenso wenig zurückhalten, wie er vorhin etwas auf ihre Mahnung gegeben hatte. Rasch fügte sie hinzu: »Ihrem Mann aber haben ihre Künste nichts genutzt. Das Blut an seinen Händen ist immer wieder gekommen, und den Schlaf hat ihm das obendrein noch geraubt. Seiner Laune war das alles andere als dienlich, seinem Ruf sowieso. Nach und nach sind selbst die Gäste aus der Fremde weggeblieben, die nichts von den Vorfällen wissen konnten.«
»Im Herbst kommen immer weniger Reisende«, wandte Helmbrecht vorsichtig ein.
Davon aber ließ sich die Wirtin nicht beeindrucken. »Weniger ist was anderes als gar keine. Doch das war es nicht allein. Ein regelrechter Fluch lag auf dem Haus, glaubt mir. Das Essen wurde ungenießbar. Oft schimmelte das Brot, kaum dass es aus dem Ofen kam. Der Wein schmeckte sauer und das Bier war schal. Ohnehin wollte keiner mehr freiwillig bei ihnen übernachten, denn der Geist des Toten und des verschwundenen Knechts haben Nacht für Nacht an die Tür geklopft. Die Mägde und der letzte Knecht verdrückten sich an Martini. Gott sei Dank, wer weiß, wie lang es ihnen danach noch möglich gewesen wäre.«
Voller Genugtuung rieb sie sich die bloßen Unterarme. Unter der Berührung knisterte die trockene Haut. Verwundert betrachtete Magdalena das Vollmondgesicht der Frau. Es war ihr anzusehen, wie zufrieden sie ob des eingetretenen Niedergangs der benachbarten Gastwirtsleute war. Immerhin war damit lästige Konkurrenz aus dem nächsten Umkreis verschwunden. Seltsam, dass sie zuvor ihren Mann hatte daran hindern wollen, die Geschichte zum Besten zu geben.
»Und was wurde aus den Wirtsleuten?« Adelaides dunkle Stimme durchbrach ihren Gedankengang. Die Wirtin lächelte. Ihr Mann dagegen wurde bleich. Noch bevor er eine Antwort stammeln konnte, platzte sie heraus: »Verbrannt sind sie! Auf den Scheiterhaufen hat man sie geworfen und ihre Asche nachher in alle Winde zerstreut.«
»Was?« Magdalena konnte ihr Erschrecken nicht verhehlen. Dabei kam das nicht unverhofft. Wenn sie ehrlich war, musste sie eingestehen, dass die Geschichte von Anfang an auf ein solches Ende hinausgelaufen war.
Adelaide schien sich dessen gleich sicher gewesen zu sein. »Das war zu erwarten. Bei all dem, was Ihr an Geschehnissen erwähnt habt, musste es so kommen.« Zustimmung heischend wandte sie sich an die beiden Pohlmann-Damen. Die Alte wirkte geradezu erleichtert, die Junge dagegen zeigte sich noch verschreckter als zu Beginn. Allzu oft war sie mit solchen Geschichten wohl noch nicht konfrontiert worden.
Helmbrecht dagegen schüttelte ungläubig den Kopf.
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