Hexengold
auf die Tischplatte. Die Tiegel hüpften und klirrten gegeneinander, die Scherben des zerbrochenen Tontopfes schepperten leise. Die heftige Bewegung tat Helmbrecht nicht gut. Verstört hielt er inne und presste sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Nach einigen Atemzügen ging es ihm besser. Ruhiger fuhr er fort: »Magdalena und ich haben kurz vor ihrem Aufbruch miteinander gesprochen. Sie kennt die verzwickte Lage, in der ich mich befinde. Mir sind die Hände gebunden. Ich habe ihr mein Pferd sowie einige Empfehlungsschreiben mitgegeben, mehr war mir nicht möglich. Ich muss einfach hoffen, dass sie es allein bis nach Königsberg schaffen wird, so gefährlich es auch sein mag. Sie ist eine starke Frau, es wird ihr gelingen.«
»Euer Wort in Gottes Ohr.« Adelaides Stimme war anzuhören, dass sie das nicht aufrichtig meinte. Wut und Verzweiflung hatten sie von neuem gepackt. Immer drehte sich alles um Magdalena, die Tapfere, Aufopferungsvolle. Nie kam einer auf die Idee, dass auch sie, Adelaide, Hilfe und Zuwendung brauchte. Sie trat ans Fenster und beugte sich hinab, um nach draußen zu sehen. Die düstere Stimmung im Wald täuschte nicht darüber hinweg, dass sich das Gewitter verzogen hatte. Der Donner klang schwach aus der Ferne herüber, der Wind hatte sich gelegt. Die Unbeschwertheit des Maitags kehrte dennoch nicht mehr zurück. Adelaide lehnte die Stirn gegen das kühle Glas. Nervös knetete sie die Finger vor der Brust. Die Gelenke knackten trocken.
22
Adelaide zwang sich, den Tatsachen ins Auge zu sehen: Es war sinnlos zu hoffen, nach all den Ereignissen weiterhin auf einen Neuanfang in Königsberg setzen zu können. Eric und Magdalena würden nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Ratlos grübelte sie, wohin sie stattdessen gehen, an wen sie sich halten, wovon sie künftig leben sollte. Nach Frankfurt konnte sie genauso wenig zurück wie nach Bamberg, wo sie einst mit ihrer Familie gelebt hatte. Es gab niemanden mehr, der ihr beistand, sich ihr verpflichtet fühlte. Nein, ein Einziger blieb noch. Ein Band existierte, das niemals zerriss, was auch geschah. Von neuer Zuversicht gepackt, wandte sie sich um, vermied jedoch den direkten Blickkontakt mit Helmbrecht.
»Eine Auskunft schuldet Ihr mir noch.« Sie reckte die Nase in die Luft und schürzte die Lippen. »Was ist mit meinem Sohn? Ihr wisst, wo er steckt. Bringt mich auf dem schnellsten Weg zu ihm, dann lasse ich Euch für immer in Ruhe.«
»Das wird nicht möglich sein.«
»Wieso nicht?« Von neuer Wut gepackt stürzte Adelaide auf ihn zu und packte ihn an den Schultern, als gelte es, die Antwort aus ihm herauszuschütteln.
»Vorsicht, Vorsicht!« Ausgerechnet in dem Moment kehrte die Fremde mit einem Bündel Kleidung auf den Armen aus dem oberen Geschoss zurück. »Ihr wollt ihm doch nicht gleich wieder die Gelenke auskugeln! Was geht hier eigentlich vor?« Achtlos warf sie das Bündel auf die Truhe und stellte sich zu ihnen an den Tisch.
Adelaide ließ von Helmbrecht ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Vielleicht brachte die Frau ihn zur Vernunft. »Wo steckt Mathias?«, fragte sie noch einmal und legte alle mütterliche Sorge in diese Worte.
»Welcher Mathias?« Erstaunt blickte nun auch die Frau zu Helmbrecht. »Ist es nicht an der Zeit, dass Ihr mir einiges erklärt? Wer ist diese Frau hier?« Abfällig wies sie mit dem Kopf auf Adelaide. Die schnaubte nicht minder verächtlich.
Schon redete die andere weiter: »Verzeiht, Helmbrecht, aber allmählich tauchen mir etwas zu viele Frauen um Euch herum bei mir auf. Letzte Nacht erst hat eine zierliche Rothaarige mit ihrer Tochter vor der Tür gestanden und behauptet, Ihr hättet sie geschickt. Das Klopfzeichen war eindeutig Eures. Dennoch bin ich misstrauisch geblieben. Wenn ich Euer braves Pferd nicht erkannt hätte, hätte ich ihr wohl kaum Glauben geschenkt. Wir sind dann aber gut miteinander ausgekommen. Wie es scheint, hat sie ebenfalls lange Jahre als Wundärztin gearbeitet.«
Über das runde Gesicht huschte ein zufriedenes Lachen. Voller Neid bemerkte Adelaide die Schönheit, die in der Gestalt der Fremden lag und ihr auf den ersten Blick nicht aufgefallen war. Die Gesichtszüge um Mund und Nase wirkten herb. Kantig zeichneten sich Kinn und Wangenknochen ab. Die hellen Augen aber strahlten einnehmend. Unter der weißen Haube blitzten strohblonde Haare hervor. Der üppige Busen und die breiten Hüften ließen vermuten, dass die Frau bereits mehrere Kinder geboren
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