Hexengold
und hartnäckig mit ihnen gesoffen und gehurt hat. Magdalenas Tochter hat es ihm wohl angetan. Die aber ist noch zu jung oder zu klug für ihn, sucht Euch aus, was Euch lieber ist. Bei dem Überfall letzte Nacht jedenfalls hat Euer Sohn Mut wie ein Erwachsener bewiesen. Da hat er gezeigt, dass er längst seinen Mann stehen kann.«
»Was wollt Ihr damit sagen?« Ungläubig riss sie die Augen auf. Jedes Wort schmerzte, weil sie spürte, dass er recht hatte. Seit Vinzents Tod schon hatte sie es geahnt, Tag für Tag aber hatte sie die Augen vor der Wahrheit hartnäckig verschlossen: Mathias war kein Kind mehr. Längst handelte er selbständig und wusste, was er in seinem Leben erreichen wollte. Leider war es nicht dasselbe, was sie sich erhoffte. Nun hatte er sich endgültig aus ihren Fesseln befreit.
Eine weitere bittere Nachricht war unauslöschlich damit verbunden: Auch Mathias ließ sie im Stich. Sie senkte den Kopf und besah ihre Hände. Plötzlich keimte ein neuer Gedanke in ihr. »Mein Sohn hat also gegen diese Räuber gekämpft, hat sich dabei in höchste Gefahr begeben, nur um …«
Sie sah wieder auf und suchte Helmbrechts Blick. Obwohl es ihr selbst am Morgen deutlich vor Augen gestanden hatte, wollte sie es noch einmal aus seinem Mund hören. Willig tat er ihr den Gefallen. »Natürlich! Um Euch und die anderen zu retten, hat er alles versucht. Ihr könnt wahrlich stolz auf ihn sein. Unerschrocken hat er die Waffen auf die Schurken gerichtet, hat keinen Moment gezögert …«
»Oh Gott!« So heldenhaft das alles klang, wurde ihr im nächsten Moment etwas ganz anderes bewusst. Ein eigenartiges Flattern ergriff Besitz von ihr. Kaum wagte sie, sich die Szene vorzustellen, die Mathias mit angesehen haben musste.
Helmbrecht bemerkte nichts davon, sondern fuhr fort: »Nicht einmal, als klar war, dass außer uns beiden kein anderer der Männer den Überfall überlebt hatte, hat er aufgegeben. Als er Euch geschändet daliegen sah …« Bestürzt brach er ab. Erst beim Aussprechen der letzten Worte wurde ihm bewusst, was er gerade gesagt hatte. Verlegen räusperte er sich. »Verzeiht, ich wollte nicht … Also Euer Sohn konnte nicht anders, Ihr lagt da und habt Euch nicht mehr gerührt. Was blieb uns anderes übrig, als zu denken, dass Ihr …«
»Mein Sohn hält mich also für tot«, resümierte sie leise und wartete vergeblich auf Tränen. Die letzten Stunden hatte sie zu viele vergossen, nun kamen keine mehr. Sie starrte in das verglimmende Herdfeuer. Die Glut verhieß Leben. Ihre Augen begannen zu brennen. Es tat gut, überhaupt noch etwas zu spüren.
»Sagt mir wenigstens, zu welchem Heer er sich gemeldet hat«, bat sie ruhig. »Schweden, Österreicher, Polen, vielleicht sogar Litauer? Oder habe ich jemanden vergessen? Entschuldigt, dass ich nicht auf dem Laufenden bin, was die Verwicklungen dieses Krieges angeht …«
»Schon gut«, winkte er ab, sichtlich erleichtert, welche Richtung das Gespräch einschlug. »Macht Euch keine Sorgen. Ich habe ihn zu einem Fähnlein der Österreicher gebracht. Der zuständige Offizier ist mir seit Jahren gut bekannt. Er wird für ihn sorgen wie für einen Sohn. Natürlich könnt Ihr ihm eine Nachricht schicken, dass es Euch gutgeht. Mathias wird sich freuen, das zu hören.«
»Zu den Österreichern?« Adelaide konnte sich ein schrilles Auflachen nicht verkneifen. »Hat unsere Gastgeberin nicht eben erwähnt, Ihr hättet meiner Base verschiedene Empfehlungsschreiben mitgegeben, die ihr sowohl bei den Schweden als auch bei den Polen und Litauern freies Geleit garantieren? Nun unterhaltet Ihr also auch Freundschaften zu den Österreichern. Gibt es eigentlich irgendeine Partei in diesem Krieg oder irgendwo auf der Welt, die Euch nicht verbunden ist? Mir scheint, Ihr habt Beziehungen zu sämtlichen Lagern. Was seid Ihr überhaupt für ein Landsmann? Welcher Religion rechnet Ihr Euch zu? Fühlt Ihr Euch einem Land oder einem Glauben zugehörig?«
»Ich bin Kaufmann, Verehrteste«, entgegnete er knapp, aber nicht unfreundlich und deutete eine leichte Verbeugung an. Der halbnackte Oberkörper mit den Bandagen und Pflastern verlieh der Geste eine unfreiwillige Komik. »Für einen Kaufmann kann es nach meinem Verständnis nicht nur eine Landsmannschaft geben, der er sich verpflichtet fühlt. Ich mache Geschäfte und habe Geschäftsfreunde in aller Herren Länder. Dass die Landesherren Kriege gegeneinander führen, um sich Gebietsgewinne oder vermeintliche sonstige
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